Immer mehr Frauen verschieben ihren Kinderwunsch
Foto: André Zand-Vakili

Immer mehr Frauen verschieben ihren Kinderwunsch

Ratgeber - Immer mehr Frauen verschieben ihren Kinderwunsch, oft in das vierte oder gar fünfte Lebensjahrzehnt.

Frauenärzte warnen davor, denn biologische Grenzen ließen sich auch mit moderner Medizin nur bedingt verschieben.



Umdenken erfordert


Der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren mahnt die Gesellschaft zum Umdenken. Politik und Arbeitgeber sollten Bedingungen schaffen, welche die Gründung einer Familie von der Situation der Karriere unabhängig macht. Auch die Frauen selbst seien gefragt, denn im Gegensatz zu unserer steigenden Lebenserwartung verlängert sich das fruchtbare Zeitfenster einer Frau nicht. Mediziner warnen, dass sich die Chance auf die Erfüllung eines Kinderwunsches schon ab dem 35. Lebensjahr verschlechtert. Dabei nimmt neben der geringeren Chance auf eine befruchtungsfähige Eizelle das Risiko einer Fehlgeburt deutlich zu.



Die Gründe sind vielfältig, aber die Berufswelt ist ein wichtiger Faktor. Obwohl sich viele Paare in Deutschland vornehmen, Erwerbs- und Familienarbeit gerecht zu verteilen, gelingt dies den wenigsten. Noch immer schnitten bei der Abwägung des höheren Einkommens und der Karrierechancen Frauen schlechter ab. Im Vergleich zu früher war es jungen Frauen noch nie so wichtig, wirtschaftlich unabhängig zu sein.



Studie belegt: Frauen wollen erst Karriere machen


Diesen Wunsch belegt auch eine Studie des Marktforschungsinstituts Splendid Research, die im August 2020 in Zusammenarbeit mit der Online-Arztpraxis Zava stattfand. Dafür befragten die Forscher 1.004 Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren, warum sie auf eine Schwangerschaft verzichten oder diese verschieben. Fast die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen wollen demnach zunächst Karriere machen, bevor sie mit der Familienplanung beginnen. Dass Mütter bei der Einkommensentwicklung benachteiligt werden, zeigte jüngst eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. In ihr stellten die Forscher fest, dass sich die Einkommensunterschiede zu Frauen ohne Kinder mit der Zeit sogar vergrößern.



Bei Männern zeigte sich das umgekehrte Bild. Hier verdienten Väter häufig mehr als kinderlose Männer. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das alte Rollenbild in Deutschland weiter dominiert. Auch in Partnerschaften, in denen beide ähnlich qualifiziert sind, kommt der Frau häufig die Rolle der Zuverdienerin zu. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, bleibt für Frauen eine große Herausforderung. Der Kinderwunsch wird aus diesem Grund häufig nach hinten verschoben. Ein Problem, das selbstständige Frauen ebenfalls kennen. Künstler sind oft derart mit ihrer Karriere beschäftigt, dass für eine Familie keine Zeit bleibt.



Fokus auf Karriere nimmt mit zunehmendem Alter ab

Frauen, die das 30. Lebensjahr überschritten haben, achten bei der Familienplanung weniger auf ihre Karriere. Nur sechs Prozent gaben an, deshalb den Kinderwunsch zu verschieben. Trotzdem kommt die Studie von Splendid Research und der Online-Arztpraxis Zava zum Schluss, dass jede vierte Frau zwischen 18 und 50 Jahren eine Schwangerschaft für die Karriere verschiebt. Dies zeigt, dass die Gesellschaft Frauen weiterhin nicht das Gefühl gibt, nach einer Schwangerschaft faire Berufschancen zu haben. Besonders Abiturientinnen und Hochschulabsolventinnen entscheiden sich deshalb zunächst für die Karriere.



Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft auf Kinder angewiesen sind, ist diese Situation unbefriedigend. Bisher ist es Politik und Gesellschaft nicht gelungen, eine faire Lastenverteilung zwischen Frauen und Männern zu erreichen. Als weiteres Hemmnis für einen Kinderwunsch gaben die Befragten an, sich zunächst selbst verwirklichen zu wollen. Auch die Sorge vor Krisen und der nicht vorhandene passende Partner spielen eine wichtige Rolle. dl