Politik und Entwicklung 2014 in Harburg: Ein Rückblick

Rathaus3Harburg –  War 2014 ein gutes Jahr für Harburg? Oder war alles wie immer? Ein Bezirk, der viel Talent hat, dem aber immer wieder Hürden in den Weg gestellt

werden? Oder läuft alles bestens? harburg-aktuell.de versucht einen wertenden Rückblick auf ein Jahr, das dem Süden Hamburgs einige Überraschungen bescherte.
Alle Jahre wieder kommen sie nach Harburg und verkünden: „Hamburgs Zukunft liegt im Süden.“  Die im Süden können es eigentlich nicht mehr hören. Weil zum Beispiel der große Sprung über die Elbe saft- und kraftlos auf der Schloßinsel landete – begleitet von einer unsäglichen Streckung von Mitteln für die Infrastruktur rundherum. Mit einem Federstrich wurde ein herrliches Puzzle von Initiativen, Ideen und Visionen durcheinander gewirbelt.  Nun passt im Binnenhaufen einiges nicht mehr zusammen. Nirgends ein erkennbares Interesse der Fachbehörden, durch ein besonderes Engagement bei der Formulierung von Ausschreibungen wenigstens ein paar kleine Puzzle-Stücke wieder passend zu machen. Nachhaltige Stadtentwicklung – eine der Leitideen jeder IBA – sieht anders aus.

Oder: Da kommen sie häufiger in den Süden, um den Bezirk über ihre Entscheidungen zu informieren. Wohlgemerkt: Da teilen sie 150.000 Menschen mit, was –  ohne sie vorher auch nur zu fragen oder vielleicht mal ihre Ortskenntnisse zu nutzen – über ihre Köpfe weg entschieden worden ist.  Zum Beispiel der Umbau eines Bauernhauses in Moorburg, um dort dauerhaft ehemalige Sicherheitsverwahrte unterzubringen. Oder die Einrichtung der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge in der neuen Post (die alte lag am Harburger Rathausplatz!) am Harburger Bahnhof. Dann sitzen die Staatsräte und Amtsleiterinnen im Rathaus des Südens, da wo angeblich die Zukunft liegt, rattern ihre Texte runter und beweisen wenig später ihre Ahnungslosigkeit. Dann trifft Arroganz auf Ortskenntnis! Noch einmal betont: Es geht nicht darum, was dort entschieden worden ist, sondern darum, wie es entschieden worden ist.

Anderes Beispiel: Wieso war überhaupt kein Aufschrei aus Harburg zu hören, als die ÖPNV-Pläne für die nächsten Jahrzehnte vorgestellt worden sind? Irgendwo soll noch eine U-Bahn gebaut werden, eine S-Bahn verlängert werden. Und? Was ist mit dem Süden? Nichts? Nur eine S3? Auf Jahrzehnte nur eine überfüllte, störungsanfällige S3? Busersatzverkehr für immer?

Hat jemand bemerkt, dass sich hier im Süden in aller Stille mehr als 250 Hightech-Firmen angesiedelt haben? Dass die Birkels hier Hamburgs einzigen Technologiepark entwickelt und zum Erfolg geführt haben? Und dass dort Tausende Arbeitsplätze für Hochqualifizierte entstanden sind? Sollen die alle mit der bräsigen S3 nach Hause fahren?
Es kommt noch schlimmer: Da stellen sich innovative Köpfe wie Dr. Helmut Thamer, Arnold G. Mergell und Christoph Birkel hin und berichten von ihrer Idee, dieses Hightech Valley zwischen Airbus, hit und TuTech gemeinsam zu vermarkten – eine große Chance, Hamburg neben dem Hafen ein weiteres wirtschaftliches Standbein mit Zukunft zu sichern (nachdem die Medienwirtschaft sich durch unsägliche Personalkürzungen selbst um die Glaubwürdigkeit bringt). Und dann müssen Thamer & Co. eingestehen, dass sie nicht zu dick auftragen dürfen, denn sonst könnte „Hamburg“ eifersüchtig werden – und hier besonders die Verwalter der Fördertöpfe in den Fachbehörden und die Handelskammer, die auch schon eigene Überlegungen über die Gründung von Technologieparks angelegt hat. Die Zukunft liegt im Süden? Schon, aber nur wenn der Norden will?

Spätestens jetzt wird deutlich, was Harburg fehlt: eine stärkere Vertretung seiner Interessen „drüben in Hamburg“.  Bezirksamtsleiter Thomas Völsch wird jetzt mit den Augen rollen und sagen: „Aber das tun wir doch.“ Er wird aber auch nicht so betriebsblind sein und zugeben, dass das beim Regierungsstil von Olaf Scholz ein hartes Brot ist. Geradezu fatal, das sich ausgerechnet in einem Jahr, in dem die Bezirksversammlung wegen Wahlkampf, Sommerpause, Koalitionsverhandlungen und Weihnachtspause kaum zum Arbeiten gekommen ist, die stärkste Fraktion selbst zerlegt hat. Die Harburger SPD hat sich bis heute nicht von dem unsäglichen Machtkampf erholt, der sie seit mehr als einem Jahr geschwächt hat. Wenn die Drahtzieher heute Bilanz ziehen würden, müssten sie feststellen, dass sie erstens ihr Ziel nicht erreicht haben: Jürgen Heimath, einer der wenigen wirklich glaubwürdigen Harburger Politiker, ist immer noch Fraktionsvorsitzender, Frank Richter ist immer noch Kreisvorsitzender. Dafür haben sie die Fraktion dezimiert, einer ihrer Hauptdarsteller, Muammer Kazanci, ist beim Wähler durchgefallen, zwei Nebendarsteller, Barbara Lewy und Anna-Lena Bahl versuchen jetzt bei den Neuen Liberalen, eine kleine Karriere zu machen. War das so gewollt?

Die SPD – eingeklemmt zwischen dem Scholz’schen Machtapparat und GroKo-Dompteur Ralf-Dieter Fischer – setzt kaum noch eigene Akzente. Vielmehr ist sie damit beschäftigt, die Geschenke aus Hamburg zu feiern. Kurz vor der Wahl gibt es endlich ein paar StadtRad-Stationen für den Süden, und auch die Sanierung der Arp-Snitger-Orgel in Neuenfelde ist finanziell gesichert. Als Urheber dieser Wohltat feiern sich gleich ein halbes Dutzend Genossen.

Beim GroKo-Partner der SPD ist alles beim Alten – im wahrsten Sinne des Wortes: Ralf-Dieter Fischer ist die „Mutti“ der Harburger CDU. Mögliche Nachfolger wie André Trepoll dürfen sich woanders austoben, oder er lässt sie am ausgestreckten Arm verhungern. Es war kein Geheimnis, dass hervorragende persönliche Ergebnisse bei den Bezirkswahlen Rainer Bliefernicht unruhige Nächte beschert hatten, die ihn von Berlin, von Hamburg oder zumindest von „Harburg – ganz vorn“ träumen ließen. Fischer hat das bewusst ignoriert, dafür den forschen Uwe Schneider gefördert. Der sitzt nun statt Bliefernicht in der Fraktion neben Fischer. Und der könnte ewig so weitermachen. Das GroKo folgt ihm, er kann sogar den SPD-Senat angreifen, und seine Koalitionsgenossen hören zu.

Von den Grünen ist zurzeit noch keine nennenswerte Opposition zu erwarten. Nach ihrem Traumergebnis mit sieben Abgeordneten erstarrten sie zunächst angesichts der Möglichkeit in Harburg – und später auch in Hamburg – Liebeshochzeit mit der SPD zu feiern. Und sie hatten mit Kay Wolkau einen Möchtegern-Fraktionschef, der seine Wahl zum Fraktionsvize nicht akzeptieren konnte, verbal um sich schlug, die Grünen verließ, Isabel Wiest gleich mitriss, um sich dann bei den Neuen Liberalen zum Fraktionschef wählen zu lassen. Die neue Partei hat inzwischen also eine eigene Fraktion in der Bezirksversammlung, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand. Ihre Inhalte muss sie auch noch finden. Das scheint nicht besonders zeitraubend zu sein, denn die vier Harburger Neu-Liberalen sind auf Facebook auffallend aktiv. Mit der Zahl ihrer Postings sind alle vier unter den Harburger Top Five – zusammen mit dem ehemaligen SPD-Bezirksabgeordneten Sören Schinkel.

Die Linke hat zunächst einmal die Oppositionsrolle ausgefüllt. Sabine Boeddinghaus kann das, wird aber demnächst in die Bürgerschaft wechseln. Ihr Platz drei auf der Landesliste ist aber auch Anerkennung für ihre Arbeit in Harburg – davon können die Harburger Grünen nur träumen... Wenn Carsten Schuster mehr Redezeit hätte, könnte der FDP-Mann die Oppositionsrolle von der Linken übernehmen. Es ist ein Jammer! Schuster ist ein politisches Talent, nicht ohne Grund beißt ihn das GroKo immer wieder weg.
Und die AfD? Alles ganz Schill? Alles ganz Pegida? Bisher nicht. Ulf Bischoff bemüht sich, debattiert über Fracking und über die Bundeswehr in Schulen. Manchmal kennt sich die „Alternative“ noch nicht mit den Regularien aus.

Egal, jetzt ist erste einmal Wahlkampf. Schon wieder. Und wieder haben sie bei den Grünen den falschen Kleister für die Wahlplakate verwendet. An der B73 stehen Ständer, an denen sich das oberste Plakat im Dauerregen vor Weihnachten gelöst hat. Und wer kommt zum Vorschein? Kay Wolkau. Nunmehr Ex-Grüner. ag