100.000 Euro-Innenstadt-Dialog: Das ist daraus geworden

HarburgNeuDenkenHarburg – Was macht überhaupt der „Innenstadt-Dialog“? Vor den Wahlen zur Bezirksversammlung wurde er noch als „spannende neue Form der Bürgerbeteiligung“

gepriesen. Dann wurde es erst ruhiger um den „Dialog“, das Bezirksamt pfiff auf die Bürger, und formulierte die fünf Top-Ideen bis zur  Unkenntlichkeit um.  Schließlich  beauftragte die Bezirksversammlung in der allerletzten Minute ihrer letzten Sitzung vor der Wahl das Bezirksamt, die weichgespülten Kompromissformeln auch noch umzusetzen.

Inzwischen sind fünf Monate vergangen, was ist aus den sogenannten Top-Ideen geworden? Um sie zu finden sind immerhin nicht ganz 100.000 Euro ausgegeben worden. Was hat also das Bezirksamt konkret unternommen, um seinem Auftrag nachzukommen? harburg-aktuell.de hat nachgefragt, für die Antworten brauchte das Bezirksamt eine Woche. Wir dokumentieren die Antworten bewusst ungekürzt.

Top-Idee 1: Erhalt eines Beachclubs im Binnenhafen. Die Bürger hatten zwar gefordert, den Veritas Beachclub am jetzigen Standort zu erhalten. Das hatte das Bezirksamt aber ohne Bürgerbeteiligung „ein wenig“ umformuliert und war so auf eine Idee gekommen, die die Bezirksversammlung längst beschlossen hatte. Die Frage nach konkreten Schritten hat das Bezirksamt so beantwortet:

Der Beachclub Binnenhafen ist aus Sicht des Bezirksamtes ein Bestandteil der kulturellen und gastronomischen Landschaft des Binnenhafens. Nach derzeitigem Stand kann der aktuelle Standort Veritaskai zum Verkehrshafen nur bis Ende September 2014 betrieben werden (entsprechende Genehmigungsfrist). Für die Vermarktung ist die FHH mit erheblichen finanziellen Mitteln in Vorleistung getreten (Verlagerung Schrottverwertungsbetrieb), da es das Schlüsselgrundstück für die seinerzeit angestoßene neue städtebauliche Entwicklung des Harburger Binnenhafens war. Der Bebauungsplan Harburg 67/Heimfeld 46 setzte für das Grundstück Kerngebiet mit einer möglichen Ausnutzbarkeit von ca. 21.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche fest. Diese Festsetzung wurde auch im Hinblick auf eine Refinanzierung der hohen Vor-Investition getroffen. Für die Vermarktung des Grundstückes wurde im Sommer 2014 durch den LIG eine Ausschreibung durchgeführt. Seitens des Bezirksamtes ist dem Betreiber des Beachclubs ein Verlagerungsgrundstück (Baufeld 4A; Ecke Blohmstr. / Kanalplatz) angeboten worden. Gespräche zwischen dem Betreiber und dem Bezirksamt sind bereits vorgenommen worden, bislang konnte jedoch keine eindeutige Aussage des Betreibers zum Alternativstandort erreicht werden.“

Top-Idee 2:  Harburg Center nicht vergessen. Das marode Center ist seit mehr als einem Jahrzehnt ein Schandfleck und blockiert eine positive Entwicklung der Harburger Innenstadt. Bezirksamt und Eigentümer haben sich juristisch ineinander verhakt, trotzdem hat die Verwaltung diese Idee als umsetzbar zugelassen. Und  was wurde unternommen? Hier die Antwort:

„Die Immobilie Harburg Center ist für den Innenstadtbereich ein zentraler städtebaulicher Baustein. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Gespräche hinsichtlich einer möglichen Entwicklung unterschiedlicher Nutzungen der Immobilie mit dem Erbbaurechtseigentümer geführt. Vor kurzem wurden durch diesen auch Veräußerungsabsichten des Erbbaurechts  kommuniziert, die, nach vorliegendem Sachstand im Bezirksamt, jedoch nicht abgeschlossen wurden. Zur Veräußerung des Erbbaurechts ist die Zustimmung des Eigentümers des Flurstückes, in diesem Falle die FHH (LIG) notwendig, aufgrund von differenzierten Vorbehalten wurde eine Veräußerung an den dargestellten Käufer seitens der FHH abgelehnt. Das Bezirksamt hofft weiterhin auf eine zeitnahe Entwicklung des Grundstückes.“

Top-Idee 3: Zwischennutzungsagentur des Leerstandsmanagements. Eine originelle Idee, und hier kann  das Bezirksamt tatsächlich  erste konkrete Schritte vermelden:

„Die Vermeidung von Leerständen bzw. die Verkürzung von Leerstandszeiten sowie die Verbesserung des Branchenmix sind wesentliche Aspekte einer langfristigen Attraktivitätssteigerung der Fußgängerzone um die Lüneburger Straße. Bereits im Verlauf des ersten BID Lüneburger Straße (April 2009 – März 2013) ist die Ansiedlung von Billiganbietern zum Stillstand gekommen und ihre Zahl konnte insgesamt reduziert werden. Mit der anschließenden Installation des neuen BID Lüneburger Straße sollte der weiterhin vorhandene Handlungs- und Verbesserungsbedarf mit Blick auf den Branchenmix und die Attraktivität des Angebots weiterverfolgt werden. Ein Fokus liegt hierbei auf der Fortführung und Weiterentwicklung der Vermietungsdatenbank einschließlich des Aufbaus eines Flächenpools, der ein wichtiger Baustein für das zentrale Vermarktungs- und Vermietungskonzept ist und in Kooperation mit dem Bezirksamt Harburg, der Handelskammer Hamburg und dem Citymanagement erfolgt. Die Forderung aus dem Innenstadtdialog konnte auf dieser Basis stringent weiterverfolgt werden. Im Juni 2014 hat neben der Arbeit des BID Lüneburger Straße auch der Vermietungsmanager LOC-CON seine Arbeit aufgenommen. Für die im Flächenpool des BID aufgenommen Flächen werden langfristige Vermietungsperspektiven gesucht und es findet eine aktive Vermittlung auf unterschiedlichen Ebenen statt.

Neben der möglichst langfristigen Vermietung von Flächen, bilden auch temporäre Zwischennutzungen einen Lösungsansatz für die Belebung der Lüneburger Straße, da eine kurzfristige Realisierbarkeit möglich ist.

Das Management von Zwischennutzungen soll dazu beitragen, dass Leerstände schneller wieder vermittelt und vermietet werden oder künftig gar nicht erst entstehen.

Als erste Zwischennutzung wurden in der Immobilie Bremer Straße 3 bislang zwei Pop-Up-Stores eröffnet, zunächst das Kulturformat „Plattenverkostung“ (20.bis 30. Juni 2014) sowie das Modegeschäft „Neunzig Tage“ (28. September bis 30. Dezember 2014).“

Top-Idee 4: Fahrradfreundliches Harburg. Wer häufiger mit dem Fahrrad in Harburg unterwegs ist, wird wissen, wie dringend diese Forderung ist. Was tut also das Bezirksamt?

„Das Fahrrad als Verkehrsträger spielt innerhalb der Verkehrsentwicklung des Bezirkes Harburg eine wesentliche Rolle. Die übergeordneten Velorouten Nr. 10 und Nr. 11 verlaufen, von der Hamburger Innenstadt kommend, durch die Harburger Innenstadt mit den Zielen Neugraben, bzw. TU Harburg. Zurzeit läuft ein Ausbau- und Anpassungsprogramm der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, im Rahmen dessen die Verknüpfung der Radrouten und eine Qualitätsverbesserung der Fahrradwege/ -spuren erreicht werden sollen. Im Einklang mit dem Verkehrskonzept Süderelbe verfolgt das Bezirksamt bereits die Ziele, das Radverkehrsnetz enger zu verknüpfen, die Angebote für Abstellmöglichkeiten an ÖPNV-Knotenpunkten zu erhöhen (Bike-and-Ride; Fahrradparkhaus am Bahnhof Harburg) sowie das StadtRad-Angebot möglichst auch auf den Bezirk Harburg auszuweiten. Zukünftig ist die Verknüpfung dieser übergeordneten Velorouten mit bezirklichen Fahrradrouten ein Ziel der Entwicklung eines fahrradfreundlichen Bezirks Harburg.“

Top-Idee 5: Wohnen in der Innenstadt fördern. Wenn der Einkaufsstandort Harburg außerhalb des Phoenix-Centers aus welchen Gründen auch immer nicht mehr richtig funktioniert, muss man sich nach anderen Nutzungen umsehen – zum Beispiel mit Wohnen.

„Wohnen in der Harburger City ist aus Sicht des Bezirksamts ein wesentlicher Baustein der zukünftigen Innenstadtentwicklung. Bereits heute werden Wohnbauprojekte im Kernbereich durch den Bezirk aktiv unterstützt. Zurzeit liegen die großmaßstäblichen Entwicklungsschwerpunkte im Bereich Studentisches Wohnen und Seniorenwohnen, aber auch andere Wohnklientel wird, zurzeit im meist kleinteiligen Maßstab, berücksichtigt. Eine weitere Verbesserung des Wohnangebotes in der Innenstadt und der damit auch zusammenhängenden begleitenden Infrastruktur muss aus Sicht des Bezirksamtes erreicht werden.

Im Moment werden zahlreiche Wohnprojekte als Neubauvorhaben innerhalb und im direkten Umfeld der Harburger Innenstadt realisiert. Weiterhin werden verstärkt, sofern es planungs- und bauordnungsrechtlich umsetzbar ist, Flächen in Wohnungen umgewandelt.“

Top oder Flop? Das können die Bürger jetzt selbst entscheiden... ag

Veröffentlicht 26. September 2014