Digitaler Wirtschaftstalk: So erlebten Unternehmen die Corona-Krise
Namhafte Vertreter der Wirtschaft aus Harburg Stadt und Land folgten der Einladung zum digitalen Wirtschaftstalk. Foto: Sparkasse Harburg-Buxtehude

Digitaler Wirtschaftstalk: So erlebten Unternehmen die Corona-Krise

Buchholz - „Durch die Corona-Pandemie wurden Dinge in einem Jahr umgesetzt, die sonst vielleicht vier bis fünf Jahre gedauert hätten.“ Für Andreas Sommer, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Harburg-Buxtehude, hat Corona an einigen Stellen durchaus wie ein Turbo gewirkt. Diese und weitere Erkenntnisse erbrachte der digitale Sparkassen-Wirtschaftstalk mit dem Titel „Be- und Entschleuniger Corona – Chance einer Krise“. Die Sparkasse Harburg-Buxtehude hatte einen spannenden Mix an  Unternehmern aus dem Hamburger Süden versammelt. Sie gaben interessante Einblicke hinter die Kulissen ihrer Betriebe und Einblicke in ihre Gemütslage nach 15 Monaten Corona.

Wolfgang Becker, Leiter des Wirtschaftsmagazins „Business & People“, moderierte die Runde, zu der der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Harburg-Buxtehude, Andreas Sommer, eingeladen hatte. Als Gäste der Talkrunde nahmen auf dem Podium Platz: Nele Landschof, Geschäftsführerin Ringhotel Sellhorn in Hanstedt, Fabian Stackmann, Geschäftsführer des Buxtehuder Modehauses Stackmann, und Dirk Düvel, Geschäftsführer der „Wir leben“-Apotheken und der Besamex-Online-Apotheke. Franziska Wedemann ergänzte die Runde in Doppelfunktion: Als Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden vertritt sie die Interessen der Wirtschaft in Harburg und Umland, als Familienunternehmerin in der vierten Generation das Backhaus Wedemann.

Eine der von der Pandemie am schwersten betroffenen Branchen ist das Gastronomie- und Hotelgewerbe. Da kam es umso überraschender, wie optimistisch und zuversichtlich Nele Landschof vom Ringhotel Sellhorn die Talkrunde eröffnete. Natürlich habe die Corona-Pandemie deutliche Spuren hinterlassen, doch aktuell überwiege die Vorfreude auf die Wiedereröffnung. „Wir haben endlich wieder eine Perspektive. Die Freude auf unsere Gäste und darauf, dass es wieder losgeht, ist riesig.“ Ab dem 1. Juni darf sie ihr Hotel in Hanstedt endlich wieder öffnen.

Das Hotel Sellhorn, seit 150 Jahre in Familienbesitz, habe wie viele Traditionsunternehmen in der Region die gute Substanz über die Runden gebracht. Auch die staatlichen Förderungen seien bei ihnen angekommen. Gemeinsam mit dem gesamten Team habe sie die Zeit genutzt, um alles mal zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. „Wir haben uns gefragt, was unsere Gäste an unserem Haus schätzen, was sie bei uns bekommen und was ihnen vielleicht fehlt“, sagt Nele Landschof.

Auch Franziska Wedemann vom gleichnamigen Backhaus Wedemann sieht keine Notwendigkeit, ihr Geschäftsmodell grundsätzlich zu verändern. Ihre Bäckerei ist weniger auf das Filialgeschäft ausgerichtet, als vielmehr auf die Belieferung von Unternehmen und Veranstaltern. So liefert sie ihre Brötchen beispielsweise zu den Heimspielen in die Stadien des HSV und des FC St. Pauli – Umsätze, die ohne Zuschauer in den Stadien natürlich weggebrochen sind. „Vielleicht hätte uns in dieser Zeit die eine oder andere Filiale mehr geholfen, wir bleiben unserer Strategie aber treu.“ Als Unternehmerin wie auch in ihrer Funktion als Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden appellierte sie an die Politik, jetzt lieber mit Augenmaß hochzufahren, als den Zick-Zack-Kurs der vergangenen Monate fortzusetzen.

Die Sparkasse Harburg-Buxtehude ist bislang ebenfalls gut durch die Krise gekommen. „Bis heute haben wir im Kreditgeschäft nicht einen Euro wegen Corona verloren“, berichtete der Vorstandsvorsitzende Andreas Sommer. Wenngleich er wisse, dass der Mittelstand im Geschäftsgebiet differenziert betrachtet werden muss. Dennoch, und das bestätigte auch Franziska Wedemann, zeige sich die Wirtschaft im Süden Hamburgs insgesamt verhältnismäßig robust. Die befürchtete Insolvenzwelle werde sich dank der Staatshilfen bis zu den Bundestagswahlen wohl auch nicht mehr zum Tsunami entwickeln, die kommende Regierung werde es laut Sommer jedoch schwer haben.

In der Sparkasse selbst habe die Pandemie an einigen Stellen durchaus beschleunigend gewirkt. „Manche Dinge wurden in einem Jahr umgesetzt, die sonst vielleicht vier bis fünf Jahre gedauert hätten.“ Viele Veränderungen wie das mobile Arbeiten oder die Digitalisierung seien bereits vor Corona auf den Weg gebracht worden, jedoch habe die Pandemie hierbei für einen Quantensprung gesorgt.

Fabian Stackmann, Geschäftsführer des gleichnamigen Mode- und Sporthauses in Buxtehude, musste gleich mehrfach schließen. Für ihn und sein Team war das ständige Hin und Her im letzten Jahr eine große Geduldsprobe und auch nicht immer nachvollziehbar. „Warum durften Supermärkte T-Shirt, Turnschuhe und Spielwaren verkaufen, wir aber nicht? Da kam in der Belegschaft schon mal Wut oder zumindest Unverständnis auf“, gibt Fabian Stackmann zu.

Durch die Krise gebracht haben Fabian Stackmann, der das Modehaus bereits in der vierten Generation führt, vor allem die große Erfahrung, die Treue der Stackmann-Kunden und die guten Beziehungen zu den Lieferanten. Parallel habe man, wie so viele, die digitalen Kanäle überprüft und weiterentwickelt. Kritik übt er hingegen an der ausgebliebenen Lobbyarbeit des Einzelhandels. „Wir wurden in der Krise allein gelassen.“

Dirk Düvel, so sollte man meinen, zählt zu den „Gewinnern“ der Corona-Pandemie. Er ist einer von drei Geschäftsführern der wir leben Apotheken mit 11 Standorten in den Landkreisen Harburg und Lüneburg und Inhaber der Versandapotheke Besamex. Mit einer gewissen Demut, so sagt er, habe er die Beiträge seiner Vorredner gehört. Schließlich könne er nicht über Kurzarbeit, Ladenschließungen oder Umsatzeinbußen klagen. Seine Herausforderungen seien ganz andere. „Wir suchten händeringend Personal, um die zusätzliche Arbeit zu bewältigen“, sagt Düvel.

Der zweite große Kraftakt war und ist das Thema „Impfstofflogistik“. Die Beschaffung, Lagerung und Versorgung der Ärzte mit Impfstoffen sei sehr herausfordernd. „Wir mussten unsere Planungen nahezu täglich umschmeißen“, sagt Dirk Düvel. Und die nächste große Aufgabe steht schon vor der Tür, wenn neben den Hausärzten ab Juni auch die Betriebsärzte impfen sollen.

Am Ende des Sparkassen-Wirtschaftstalks standen drei Erkenntnisse, die alle Teilnehmer des einten. Erstens: „Es gibt keine wirklichen Gewinner und Verlierer der Corona-Krise, jeder hat mit individuellen Herausforderungen zu kämpfen.“ Zweitens: „Der große Zusammenhalt in der Belegschaft hat den Unternehmen durch die Krise geholfen.“ Und drittens: „Wir können Krise“.

Der Sparkassen-Wirtschaftstalk ist in voller Länge zu sehen auf dem YouTube-Kanal der Sparkasse unter https://www.youtube.com/watch?v=useglxka4XQ