Tourismus: Politiker träumen von "Harburg, Rio, Tokio"

130522KazanciHarburg –  Gott sei Dank, dass während des Kirchentags Scharen von auswärtigen Jugendlichen vom Schwarzenberg ausschwärmten, um sich in den umliegenden Imbissen

mit Dönern und Coffee to go zu versorgen und Regine Schneider von Leichers Buchhandlung froh war, ihre alten Ansichtskarten loszuwerden.  Und IBA sei Dank, dass sich gelegentlich doch ein paar Touristen nach Harburg verirren, um die Baustellen auf der Schlossinsel zu bestaunen und zu fotografieren. Deshalb aber gleich von „Harburg als Touristenstandort“ zu träumen, ist wohl doch etwas gewagt.

Muammer Kazanci (Foto) von der SPD hatte den Mut, mehr noch: Er hielt das Thema für so wichtig und drängend, dass er es für die Aktuelle Stunde der Bezirksversammlung angemeldet hatte. Selbst eine 150 Jahre alte Partei kann noch für eine Überraschung sorgen. In seinem Eröffnungsbeitrag verließ Kazanci der Mut leider ein wenig, denn mehr als ein paar Sehenswürdigkeiten auf der Schlossinsel, das bevorstehende Binnenhafenfest samt Volleyball-Turnier und einem „Wir sind stolz auf unseren Bezirk“ hatte der Vorsitzende des Stadtplanungsausschusses nicht zu bieten. Gleichwohl ist seine Kernbotschaft goldrichtig: Lasst uns Harburg nicht immer schlecht reden, dann kommen auch mehr zu uns. Es müssen ja nicht gleich Touristen sein.

Jürgen Marek von den Grünen konnte über das Thema der Aktuellen Stunde nur staunen: Gibt es hier so etwas wie Tourismus? Da sei ihm 63 Jahre lang etwas entgangen. Harburgs Außenwirkung sei eher „rudimentär und unsystematisch“. Wenn Harburg in Stadtführern erwähnt werde, dann nur mit den bekannten Stationen des Nine-Eleven-Attentäters. Oder nur mit einer gehörigen Portion Häme im Negativ-Stadtführer „Öde Orte“ als „Stadt, in der das Grauen zu Hause ist“. Aber Marek hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Er hält es mit dem Philosophen Ernst Bloch: „Man muss ins Gelingen verleibt sein, nicht ins Scheitern.“

Auch FDP-Fraktionschef Carsten Schuster  hatte das Thema überrascht, freute sich aber: „Nach zwei Jahren Regierung ist die SPD angekommen, tun Sie endlich was! Sie haben die absolute Mehrheit!“ Ins gleiche Horn stieß CDU-Chef Ralf-Dieter Fischer: Er sei verwundert, dass zwar Marketingexperten nach Harburg eingeladen worden sind. Gekommen sei bisher aber keiner. Es gebe genug zu tun.

Klaus Lübberstedt von der Linken ließ es sich nicht nehmen, die SPD auf ein historisches „Pfund“ hinzuweisen, mit dem bisher nicht gewuchert worden sei: Mit Theodor Yorck und Ferdinand Lassalle seien zwei Gründungsväter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit Harburg verbunden. Außer zwei Straßennamen erinnere nichts mehr an sie. ag