Harburger Bundestagskandidaten im "Verhör" des Wirtschaftsvereins

130828LindtnerHarburg –  So ungefähr alle 30 Jahre wird Harburg durch einen neuen Abgeordneten im Bundestag vertreten. Erst eine halbe Ewigkeit Herbert Wehner, dann Hans-Ulrich Klose.

Nun  ist es wieder so weit: Harburg hat die Wahl, ob es wieder für die Ewigkeit ist, wird sich zeigen. Ein historischer Moment ist es allemal. Das betonte Jochen Winand, Vorsitzender des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden, am Ende des Kandidatenhearings im Privathotel Lindtner.

Einen anderen historischen Moment verpasste Winand, der spielte sich am Rande, gleich am Abgang von der Bühne ab. Manuel Sarrazin, Kandidat der Grünen, 130828Sarrazinwurde nacheinander von zwei Unternehmern angesprochen. Was sie zu ihm sagten, war tatsächlich erstaunlich: „Wir haben noch nie die Grünen gewählt, aber Sie haben uns heute nachdenklich gemacht.“ Auch wenn es manchem der rund 100 Gäste aus der Wirtschaft spürbar schwer fiel, mussten sie zugeben: Sarrazin war an diesem Abend Punktsieger. Sicher waren sie nicht immer seiner Meinung, er glänzte aber mit Fakten, wusste überall einen Tick besser Bescheid und ließ es sich auch nicht nehmen, seinem Nachbarn von der SPD, Metin Hakverdi, dessen eigene Argumentation zu erläutern.

Sarrazin spielte seine Routine als Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Landesvorsitzender der Hamburger Grünen aus. Gewinnen wird er den Wahlkreis 23 (Harburg/Bergedorf/Wilhelmsburg) kaum, vor vier Jahren war er hier bei rund sieben Prozent der Erststimmen gelandet. Deshalb setzt Sarrazin auf eine Zweitstimmenkampagne, ein gutes Ergebnis würde seinen Platz zwei auf der Landesliste zu einem sicheren Platz machen.

Wenn es nach den Umfragen geht, müsste sich Hakverdi keine Sorgen machen, Nachfolger von Wehner, Klose und auch Helmut Schmidt (der immer in Bergedorf kandidiert hatte)130828Hakverdi zu werden. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel führt den Wahlkreis 23 jedenfalls als sichere Beute für die SPD, neuerdings sind aber auch schon Umfragen veröffentlicht worden, in denen ein Sieg des Wilhelmsburger nur noch als „wahrscheinlich“ gilt. Seiner Favoritenrolle wurde Hakverdi an diesem Abend nicht gerecht.

Ganz deutlich: Dies war nicht sein Terrain. Er ist eher der Politiker zum Anfassen, der sich um die Sorgen der kleinen Leute kümmert. Wirtschaftspolitik gehört nicht zu seinen Stärken, aber da musste er an diesem Abend durch.

 

Herlind Gundelach schlug sich da besser. Ausgestattet mit drei Jahren Regierungserfahrung                           als CDU-Wissenschaftssenatorin in Hamburg130828Gundelach nahm man ihr fast alles ab.

Wo Hakverdi inhaltliche Schwächen mit einem forscheren Ton überspielte, spulte Gundelach bekannte Positionen runter – gelegentlich sogar mit sanfter Kritik an den Regierenden in Berlin.

Keine Frage: Anders als bei den letzten Wahlgängen in Harburg muss die SPD die Gegenkandidatin Gundelach wesentlich ernster nehmen.

 

 

                              Für die Liberalen geht es in erster Linie ums Überleben. Dass heißt nicht, dass Kurt Duwe sich besonders kämpferisch gab. Bei den Erststimmen 130828duwesteht er ohnehin auf verlorenem Posten, mit Aussagen wie „Das funktioniert doch nur, wenn die Wirtschaft floriert“ indes hätte er sich zumindest im Lindtner-Saal keine Sorgen um die 5-Prozent-Hürde machen müssen.

 

 

 

Bundespolitisch brachte dieser Abend kaum neue Erkenntnisse. Dass SPD und Grüne eine Vermögenssteuer einführen wollen, CDU und FDP aber nicht, ist bekannt. Und dass die Energiewende ins Stocken geraten ist, sie aber große Chancen für Deutschland als Standort für Zukunftstechnologien öffnet, darüber waren sich alle vier Kandidaten einig.

Den gezielten Fragen von Moderatorin Franziska Wedemann war es zu verdanken, dass die Kandidaten wenigstens bei einem nicht zu unterschätzendem Engpass in der regionalen Infrastruktur klare Kante zeigten: Der Harburger Binnenhafen erstickt im Lkw-Verkehr, statt sich zu einem attraktiven Quartier am Wasser zu entwickeln. Aber auch bei der möglichen Entlastung (zumindest für diesen Teil Hamburgs), nämlich der Hafenquerspange stockt es.

Dabei wird es auch bleiben, sagt Sarrazin: „Wir haben in Deutschland einen Sanierungsstau von 130 Milliarden Euro. Da wird die Hafenquerspange niemals in den vordringlichen Bedarf kommen.“

Hakverdi will auch lieber die „Bahn im Auge behalten, statt sich beim Straßenbau mit Sonntagsreden zu trösten“.

Ganz anders Herlind Gundelach: „Die Hafenquerspange ist eine vernünftige Querverbindung zwischen den Autobahn.“ Die sieht durchaus Chancen für diese Straße. Voraussetzung sei allerdings ein Mentalitätswechsel bei den norddeutschen Politikern: „Sie fangen immer erst an zu planen, wenn sie merken, dass es eventuell Geld gibt.“ In Süddeutschland sei das umgekehrt.

In seinem Schlusswort äußerte Jochen Winand noch eine Bitte an die künftige Abgeordnete oder den künftigen Abgeordneten aus Harburg: „Mit dem Vorgänger hatte der Wirtschaftsverein in all den vielen Jahren nur einen einzigen Gesprächstermin. Wir wünschen uns künftig eine größere Nähe zur lokalen Wirtschaft.“ ag