Podiumsdiskussion zu Harburgs City: Man will es krachen lassen

150220PodiumHarburg – Das Fazit war eindeutig. „Ich möchte es krachen lassen, am besten gleich zweimal“, sagte Heinrich Wilke, Bereichsleiter Immobilien bei der Süderelbe AG am

Ende der Podiumsdiskussion „City Harburg – quo vadis?“. Der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden hatte gemeinsam mit der Süderelbe AG ins Privathotel Lindter eingeladen, um mit „Harburg-Experten“ und einem Impulsvertrag über neue Strategien im Einzelhandel Ideen für die Zukunft der maroden Harburger Innenstadt  zu entwickeln.

Und das sind Wilkes Kracher: Er wünscht sich den schnellstmöglichen Abriss des Harburg-Centers. Am besten sei eine Task Force, die einen einzigen Auftrag habe: weg mit der Ruine! Und wenn dazu noch Platz für den großen Textiler gefunden wird, der rund 4500 Quadratmeter Verkaufsfläche beansprucht, der vor allem Interesse für Harburg bekundet und auch schon einen Standort in der Harburger City unter die Lupe genommen hat. Wo das sein könnte, wollte Wilke nicht verraten. Insider vermuten allerdings, dass das Areal mitten in der „Lü“ liegt und eine größere Arrondierung vorhandener Immobilien nötig wäre. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass der Textil-Discounter Primark nach Hamburg drängt. Seine bisher nördlichste Filiale liegt in Bremen, was inzwischen einen regelrechten Einkaufstourismus von Jugendlichen an die Weser ausgelöst hat. Demnächst wird in Braunschweig eine Filiale eröffnet, gemunkelt wird auch, dass Primark einen Teil der Fläche von Karstadt Billstedt übernimmt.

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Moderator Jochen Winand, Andreas Haderlein, Heinrich Wilke, Thomas Völsch, Gitte Lansmann und Norbert Radszat (v.l.). Foto: zv
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Vermutlich hat Wilkes erster Kracher zurzeit noch größere Chancen auf eine Realisierung. Nach Informationen von harburg-aktuell.de ist der angebliche Verkauf des Harburg-Centers bisher nicht in trockenen Tüchern. Sollte sich da bis Ende März nichts tun, fiele die Immobilie an den bisherigen Eigentümer Hans-Dieter Lindberg zurück. Ob die Gläubiger-Bank dann noch still hält, ist nach Ansicht von Finanzexperten, die sich mit der causa Harburg-Center näher beschäftigt haben, sehr fraglich.

Einen ganz anderen Weg schlug der Frankfurter „Innovationsberater“ Andreas Haderlein vor: Nach dem Vorbild der Online City Wuppertal könnte ein „multi channel harburg“ für ein frisches Image sorgen, vor allem aber könnte der Harburger Einzelhandel damit der multinationalen Konkurrenz Online-Handel à la Amazon oder Zalando ein kleines, aber feines lokales Online-Verkaufs- und Vertriebsnetz entgegensetzen. Dafür müssten in zentraler Lage Shops eingerichtet werden, in dem sich Kunden über im Internet angebotene Produkte informieren und sie auch ausprobieren können. Die Waren werden dann am gleichen Tag noch zugestellt, ohne aufwändige Verpackung, also Tüten statt Pakete. Dazu würde es auch eine Schulung der Handels-Mitarbeiter geben, wie sie ihre Produkte für den Online-Verkauf aufbereiten und anbieten könnten. Verkauf über mehrere Kanäle also, eben multi channel.

Hat multi channel harburg eine Chance? Vielleicht, es müsste sich nur jemand finden, der das alles organisiert. Und er müsste einen langen Atem haben. Firma Atalanda, die nicht nur die Online City Wuppertal unterstützt, sondern ähnliche lokale Online-Verkaufsnetze auch nördlich der Elbe in Hamburg und in anderen Großstädten anbietet, glänzt noch nicht mit ihren Zugriffszahlen.

Norbert Radszat, Immobilienmakler für das Business Improvement District „Lü“, und Citymanagerin Melanie-Gitte Lansmann setzen vorerst weiter auf klassische Strukturen. Es müssten eben dicke Bretter gebohrt werden, meinte Radszat, die Negativentwicklung von zwölf Jahren können nicht in zwölf Tagen umgedreht werden. Zudem riet er zur Gelassenheit, der Online-Handel habe insgesamt zurzeit einen Marktanteil von 10 bis 15 Prozent. Und Lansmann sieht noch keine Strategie zur Rettung der Harburger Innenstadt, bei der alle Beteiligten sagten „Ja, das ist es. Packen wir es an!“

Was kann das Bezirksamt tun, wollte Wirtschaftsvereins-Vorstand Jochen Winand schließlich wissen. „Wir können sicher keine Geschäfte eröffnen“, sagte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. „Aber wir können öffentliche Räume schaffen, in denen sich die Menschen wohlfühlen. Und wir können das Wohnen in der Innenstadt fördern.“  Kein Widerspruch. ag

 Veröffentlicht 20. Feburar 2015
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