Hausarzt der Seeleute hat in Groß Sand festgemacht

150226HagelsteinWilhelmsburg - Das Krankenhaus Groß-Sand ist um eine Abteilung reicher: Die Ambulanz für Seeleute, bisher externe Praxis in den Räumlichkeiten der Klinik, gehört jetzt als

Fachabteilung zum Haus. Chefarzt ist Dr. Jan-Gerd Hagelstein – in Hamburg und im Hafen seit langem als „Hausarzt der Seeleute“ bekannt.

Wird Groß-Sand das neue Hafenkrankenhaus? Zumindest hat sich die Wilhelmsburger Klinik eine verbesserte medizinische Versorgung von Seeleuten auf die Fahnen geschrieben. Ein entscheidender Schritt: Die bisherige Praxis des Allgemeinmediziners Dr. Jan-Gerd Hagelstein ist seit Januar Teil der Klinik. „Von der Integration der Seemannsambulanz in das Krankenhaus verspreche ich mir eine noch effektivere Betreuung erkrankter Seeleute – weil alle erforderlichen Schritte aus einer Hand gewährleistet werden“, so der neue Chefarzt. Insbesondere im Falle komplexer Erkrankungen, bei denen verschiedene Fachrichtungen gefragt sind, können Diagnostik und Therapie in Kooperation mit den anderen Abteilungen des Hauses zeitnah und auf kurzem Weg realisiert werden.

Warum gerade der Zeitfaktor bei der Behandlung von Seeleuten so wichtig ist, erschließt sich im Gespräch mit Dr. Hagelstein schnell: „Früher lagen die Schiffe zwei bis drei Tage im Hafen, heute laufen sie oft nach ein paar Stunden wieder aus – notwendige medizinische Maßnahmen müssen entsprechend schnell erfolgen.“ Er erzählt von einem Patienten: "Ein Steward auf einem Kreuzfahrtschiff, der nach Auskunft des Schiffsarztes seit Wochen unter unklaren Bauchschmerzen litt. Keine zwölf Stunden sollte das Schiff in Hamburg festmachen. „Durch den Kontakt mit dem Kollegen an Bord konnten wir hier schon alles vorbereiten. Der Patient war informiert und kam nüchtern, Magen- und Darmspiegelung konnten wir schnell und direkt vor Ort durchführen. Solche Termine sind auch mit dem besten Netzwerk aus niedergelassenen Fachkollegen nur schwer zu organisieren.“

Für den Steward mit den Bauchschmerzen lief die Sache glimpflich ab. Mit gesicherter Diagnose und entsprechender Medikation war er rechtzeitig zurück auf dem Schiff – um seinen Job musste er nicht länger fürchten. Für manche kommt es anders: Bis zu 300 internationale Seeleute werden nach Schätzungen der Deutschen Seemannsmission jährlich in Hamburger Krankenhäusern stationär behandelt. Auch hier erweist sich die enge Zusammenarbeit zwischen Seemannsambulanz und den weiteren Disziplinen der Klinik immer wieder als Vorteil – nicht allein aus medizinischer Sicht. „Wir stehen in engem Austausch mit den Ärzten und Pflegekräften und vermitteln zum Beispiel bei sprachlichen Schwierigkeiten”, sagt Hagelstein. Gleichzeitig sind der ehemalige Marinearzt und Fachärztin Dr. Jennifer Görndt täglich in Kontakt mit Reedereien, Agenturen und Seemannsmission. „Wir sind mit den Gegebenheiten im Hafen und auf See vertraut und wollen als Teil des Krankenhauses Groß-Sand eine Lücke füllen, die nach der Schließung des Hafenkrankenhauses Ende der 1990er Jahre geblieben ist.“

Ein weiterer Punkt, der die Arbeit in der Seemannsambulanz so besonders macht, ist laut Hagelstein das „etwas andere“ Verhältnis zwischen Arzt und Patient. So berichten Seeleute oft von langen Odysseen – von Hafen zu Hafen, von Arzt zu Arzt. Vielen fehle dabei das Gefühl, überhaupt als menschliche Wesen wahrgenommen zu werden. „Entsprechend dankbar sind die Jungs, wenn ihnen einfach mal jemand zuhört und sie mit ihren Sorgen und den oft verschleppten Krankheiten endlich ernst genommen werden. Neben der Medizin geht es hier in besonderem Maße um Zuwendung auf menschlicher Ebene. Und so bringt das Arzt sein unheimlich Spaß!“ dl