Drogenszene
Ein Süchtiger konsumiert auf dem jüdischen Friedhof Crack. Foto: André Zand-Vakili

Harburgs jüdischer Friedhof verkommt zum Drogenkonsumplatz

Harburg - Zwischen den Grabsteinen glühen Crack-Pfeifen. Der jüdische Friedhof auf dem Schwarzenberg ist zum Drogenkonsumplatz verkommen. Süchtige,

angezogen von der nahen Einrichtung Abrigado, haben ihn in Beschlag genommen. Dabei werden dort nicht nur Drogen konsumiert. Auch als Freiluft-Klo oder Schlafplatz wird der bis 1935 für Beisetzungen genutzte Begräbnisplatz der Synagogengemeinde Harburg-Wilhelmsburg missbraucht.

{image}Das gesamte Umfeld leidet. Vom Abrigado werden für das "Umfeldmanagement" sogar zwei Mitarbeiter eingesetzt, die zumindest an zwei Tagen in der Woche unter anderem die schlimmsten Spuren der Zustände, wie weggeworfene Einwegspritzen, beseitigen sollen. "Die Drogenszene macht sich hier bemerkbar. Es werden auch Drogen auf den Hinterhöfen konsumiert. Bei Regen sind die Durchfahrten besetzt, weil dort Heroin gespritzt wird. Oft, auch nachts, werden Mülltonnen durchwühlt", sagt ein Anwohner.

Das Problem ist hausgemacht. Drogeneinrichtungen wie das Abrigado sind für die Süchtigen eine Unterstützung und für die Anlieger oft ein Problem. Sie ziehen nicht nur Konsumenten an. Auch Drogenhändler halten sich gern im Umfeld ihrer geballt auftretenden "Kundschaft" auf. Beschaffungskriminalität ist oft ein zusätzliches Problem.

In Harburg sind die Probleme besonders hoch. Auch die sind hausgemacht. Woanders, beispielsweise im Schicki-Micki-Quartier Schanzenviertel, wurden solche Einrichtungen bereits 2003 geschlossen. Mittlerweile ist das Abrigado hoffnungslos überlaufen. Ausgelegt auf 80 Süchtige, sind es mittlerweile regelmäßig zwei bis dreimal so viele Abhängige, die täglich zum Schwarzenberg kommen.

Ein nicht unerheblicher Teil der Konsumenten kommen als EU-Bürger aus Südosteuropa. Sie haben oft kein Anrecht auf Sozialleistungen. Auch die Auswirkungen sind im Umfeld zu finden. In den Hängen hinter der Friedhofsmauer durchziehen Trampelpfade das Unterholz. Hinter dem Schießstand der Schützengilde liegen Schlafsäcke und gebrauchte Spritzen mit Blutanhaftungen. Überall liegt Müll rum.

Die Polizei verzeichnet seit Juli wieder ein Anstieg der Probleme im Umfeld des Abrigados. Das hattes es bereits 2018 gegeben. Damals hatte eine verstärkte Präsenz die Situation etwas beruhigen können. In diesem Jahr ist es bislang weitgehend wirkungslos. Allerdings liegt Harburg nicht im Fokus der Bekämpfung der offenen Drogenszene. Die eigens dafür eingerichtete Task-Force arbeitet überwiegend in St. Georg, auf St. Pauli oder im Schanzenviertel.

Das Bezirksamt wirkt angesichts der Situation hilflos. Die Antworten auf Anfragen von harburg-aktuell kommen wie ein Schulterzucken rüber. "Das schöne Wetter und die sommerlichen Temperaturen ziehen die Menschen ins Freie, in Parks und Grünanlagen. Dies gilt auch für die Besucherinnen und Besucher des Abrigado. Der Jüdische Friedhof ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich", ist die Antwort auf die Frage, was man gegen die Situation auf dem jüdischen Friedhof zu tun Gedenke. Und weiter: "Die zuständige Abteilung des Bezirksamts Harburg kümmert sich im Auftrag der Senatskanzlei um die Pflege des Jüdischen Friedhofs. Im Rahmen der regelmäßigen Pflegearbeiten werden schwer einsehbare Ecken, die bevorzugt von Konsumenten und Konsumentinnen genutzt werden, durch Rückschnitt des Grüns reduziert. Grundsätzlich ist die Verfolgung von Drogendelikten allerdings Aufgabe der Polizei."

Bereits seit längerem geistert der Plan einer Verlegung des Abrigados durch die Politik. Das sollte, so heißt es, geheim bleiben. Man befürchtete den Protest der Anlieger einer zukünftigen Einrichtung. Im Gespräch war eine Verlegung in Richtung Buxtehuder Straße nahe der Harburger Tafel. Auch das ehemalige Telekom-Gebäude soll unter die Lupe genommen worden sein. Laut Bezirksamt sei das Gebäude aber kein Thema.

Dass es eine Verlegung oder Vergrößerung geben soll, wird bestätigt. Die wird aber jenseits der Elbe eingefädelt. "Die Entscheidung hinsichtlich einer Standortverlagerung liegt bei der für die Einrichtung zuständigen Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Durch ein bürgerschaftliches Ersuchen wurde der Senat gebeten zu prüfen, ob ein Ausbau des Abrigado erforderlich und realisierbar ist. Nach Abschluss der Prüfung wird die Bürgerschaft über das Ergebnis informiert. Wir können Ihnen hierzu zum jetzigen Zeitpunkt also noch keine Auskunft geben", heißt es aus dem Bezirksamt.

Eine Vergrößerung des jetzigen Standortes heißt nicht eine zwangsläufige Verbesserung. Kritiker befürchten, dass dann noch mehr Süchtige angezogen werden und die gleichen Probleme nach einer Zeit der Entspannung wieder und noch geballter auftauchen. Noch problematischer wird eine Zersplitterung der Einrichtung gesehen. Denn dann könnte es einen "Pendelverkehr" zwischen den Standorten geben. zv