Gedenken an die Verwüstung der Harburger Synagoge vor 77 Jahren

151106GedenkenHarburg - Vor 77 Jahren, am 10. November, wurde in Harburg der jüdische Friedhof in der Pogromnacht geschändet und das Totenhaus durch Brandstiftung zerstört. Die

Feuerwehr wurde von Nazi-Sympathisanten am Löschen gehindert. Am Dienstag, 10. November, erinnern das Bezirksamt Harburg, die Abgeordneten der Harburger Bezirksversammlung und die Initiative Gedenken in Harburg mit einer gemeinsamen öffentlichen Veranstaltung auf dem Jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg an die antijüdischen Ausschreitungen vor 77 Jahren in diesem Hamburger Stadtteil.

Es werden ab 17 Uhr Carolyn Decke, Pröpstin des Sprengels Harburg der Ev.-Luth. Kirche Hamburg-Ost, und Thomas Völsch, Leiter des Bezirksamts Harburg, die Geschehnisse in Erinnerung rufen. Nach einem anschließenden Schweigemarsch zur ehemaligen Harburger Synagoge in der Eißendorfer Straße/Ecke Knoopstraße werden Manfred Schulz, Vorsitzender der Harburger Bezirksversammlung, und Klaus Möller, Initiative Gedenken in Harburg, Kränze am heutigen Synagogenmahnmal niederlegen.

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Die Leichenhalle auf dem Jüdischen Friedhof. Foto: pr

Als in vielen deutschen Städten und Gemeinden am 9. November 1938 die Synagogen brannten und Schaufensterscheiben zu Bruch gingen, herrschte in Harburg noch absolute Ruhe. Aber am nächsten Tag war alles anders. Am Abend des 10. November stand die Leichenhalle auf dem Jüdischen Friedhof auf dem Schwarzenberg in Harburg in hellen Flammen und wurde die Tür zur Harburger Synagoge in der Eißendorfer Straße gewaltsam aufgebrochen.

In einer großen Harburger Tageszeitung war am nächsten Tag zu lesen, dass eine empörte Volksmenge sich spontan zusammengefunden hätte, um ihrer berechtigten Entrüstung über den feigen Anschlag eines Juden auf einen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Paris drastischen Ausdruck zu verleihen. Schlimmere Ausschreitungen konnten durch den Hinweis auf die Ankündigung des deutschen Propagandaministers Dr. Goebbels verhindert werden, dass die Reichsregierung die notwendigen Maßnahmen ergreifen werde, um das deutsche Volk ein für allemal von der jüdischen Weltpest zu befreien.

"Von einer aufgebrachten Volksmenge konnte in Harburg an jenem 10. November 1938 nach übereinstimmenden Zeugenaussagen allerdings keine Rede sein. Die Ausschreitungen waren befohlen, wie die Ermittlungen zum Harburger Synagogenprozess vor dem Hamburger Landgericht in den Jahren 1946 - 1949 eindeutig belegen", sagt Klaus Möller  von der Initiative Gedenken in Harburg.  Und: "Stadtbekannte Harburger SA-Männer und Hitlerjungen waren unter den Anwesenden nicht zu übersehen und zogen die Strippen. Vor der Tür zur Synagoge standen zwei SA-Posten mit Schildern, die mit eindeutig anti-jüdischen Parolen beschriftet waren."

Möller: "Die Namen einiger Täter, die den Verlauf der Ereignisse lenkten, sind bekannt. Dass es nur wenige waren, bedeutet jedoch nicht, dass die große Mehrheit der Harburgerinnen und Harburgerinnen judenfreundlich war. Viele haben weggesehen und geschwiegen, auch diejenigen, deren Protest vielleicht noch Beachtung gefunden hätte, wie die Kirchen oder die Harburger Handelskammer."  (cb)