Rivalität mit Humor: Stadtbezirke und ihre Querelen
Die Harburger City hat alles, was eine lebendige Innenstadt ausmacht. Foto: André Zand-Vakili

Rivalität mit Humor: Stadtbezirke und ihre Querelen

Ratgeber - Rivalität findet nicht nur zwischen einzelnen Menschen statt, sondern auch dann, wenn zwei Städte oder Stadtbezirke sich nicht ganz grün sind.

Oftmals handelt es sich um typisches Konkurrenzverhalten, dann will einfach der eine besser als der andere sein – und umgekehrt. Manchmal aber gab es in der Vergangenheit auch einen ganz konkreten Anlass, an dem sich alles aufhängt. Und mit der Zeit wird es sogar egal, ob alles nur Legende war: Der Streit bleibt und er treibt seltsame, teils auch humorvolle Blüten.

Geht ein Harburger zum Einkaufen "in die City", dann meint er garantiert nicht die Hamburger Innenstadt. Nein, es ist seine Lüneburger Straße, die ihn zum Shopping lockt, ebenso wie der Harburger Rathausmarkt. Das Gefühl, eine eigene Stadt und nicht "nur" ein Stadtviertel Hamburgs zu sein, lässt die Einwohner nicht los. Vormals gehörte Harburg zu Preußen und gesellte sich erst ziemlich spät zur Elbmetropole. Der jahrzehntelange Kampf gegen den Konkurrenten liegt dem Viertel mit eigenem Hafen weiterhin im Blut und wird sicher auch nicht so schnell versiegen. Insofern kennen sich die Harburger mit dem Thema Städte-Rivalität sehr gut aus, und stehen damit weitaus nicht allein da.

Die Mannheimer finden an ihrem Nachbarn Ludwigshafen nur eine einzige Sache gut: Die Rheinbrücke, die nach Mannheim führt. Die beiden Städte sind allerdings kaum als zwei verschiedene Orte zu erkennen, ihre Stadtgebiete gehen fließend ineinander über. Sie teilen sich sogar das Telefon- und Straßenbahnnetz, sind also so etwas wie siamesische Zwillinge, die niemals voneinander lassen können. Doch: Welcher echte Mannheimer will schon in Ludwigshafen wohnen? Sogenannte Exilwetten stellen diese heikle Frage ganz praktisch in den Mittelpunkt: Eine Person wird dabei aufgefordert, eine bestimmte Zeit an einem spezifischen anderen Ort zu leben. In der Vergangenheit hat es immer wieder prominente Beispiele solcher Herausforderungen gegeben. So stellte sich beispielswiese in den 90er Jahren der Poker-Profi John Hennigan der Challenge, sechs Wochen im beschaulichen Des Moines, Iowa zu verbringen. Hennigans eigentliche Heimat war das umtriebige Las Vegas mit seinem 24-Stunden-Unterhaltungsbetrieb, wo es bis heute kein noch so kleines Plätzchen für Langeweile gibt. Entsprechend hart traf den Mann diese Herausforderung. Er gab nach zwei Tagen auf.

Des Moines und Las Vegas, der Unterschied könnte kaum größer sein! In vielen Fällen mangelt es allerdings an derart auffälligen Unterscheidungsmerkmalen, dann werden kleine Dinge ganz groß aufgeblasen. Die Schwarzwälder Doppelstadt Villingen-Schwenningen zum Beispiel ist sich gar nicht so einig, wie ihr Bindestrich-Name es suggeriert. Jede Hälfte rümpft über die andere die Nase, deshalb liegt die Betonung immer wieder auf diesem einen Punkt: Schwenningen gehört zu Württemberg – und Villingen ist absolut badisch, badischer geht es nicht. Das Trennende wird zum humorvollen Fetisch erhoben und kommt immer wieder auf den Tisch, ob es nun gerade passt oder nicht.

Geradezu legendär ist die Fehde zwischen Köln und Düsseldorf, zwischen Kölsch und Altbier, zwischen der Altstadtkulisse und der längsten Theke. Um den Ursprung der Feindschaft zu finden, muss man ganz tief in der Geschichte wühlen und das Jahr 1259 herausgraben. Damals trat das Stapelrecht in Kraft, das fahrende Händler zwang, ihre Waren zuerst in Köln feilzubieten, bevor die kläglichen Reste in Düsseldorf auf den Markt kamen. Düsseldorf war kleiner und konnte sich gegen diese nicht ganz faire Regelung schlecht wehren. Der Zorn darüber ist bis heute geblieben. Nur kennt trotzdem kaum noch jemand das historische Stapelrecht, das es ohnehin seit Jahrhunderten nicht mehr gibt.

Fußballfans wissen eines ganz genau: Der FC Barcelona und Real Madrid werden niemals Freunde sein. Der Hintergrund ist nicht nur rein sportlicher, sondern auch geschichtlicher Natur. Beide Städte stehen seit jeher für ganz unterschiedliche Agenden: Zentralregierung versus regionale Unabhängigkeit. Allerdings hat sich dieses Thema inzwischen so gut wie erledigt, Madrid wird längst nicht mehr als böser Unterdrücker angesehen. Im Fußball ist der mentale Gegensatz jedoch hängengeblieben und wird bei jedem Aufeinandertreffen ausgiebig zelebriert. Dabei ist meistens ganz viel Spaß im Spiel und nur selten wird die Lage ernst. Schließlich handelt es sich bei beiden Fan-Kohorten um feierlustige Spanier, die lieber gemeinsam singen und tanzen als in echten Streit zu geraten.

Darum sind sich Städte in "spinnefeind"

Die meisten Menschen haben das Verlangen, sich mit ihrem Wohnort, ihrer Heimat, zu identifizieren. Und in Abgrenzung zu anderen fällt es naturgemäß leichter, das eigene Ich hervorzuheben und sogar noch zu stärken. Hierin liegt die emotionale Wurzel der Städte-Rivalität, der eigentliche Grund, warum fast jeder noch so kleine Ort immer wieder verbal auf seinen Nachbarn eindreschen muss. Die Lokalrivalität wird bald schon zu einem festen Teil der eigenen Identität und führt zu verstärktem Zusammenhalt in der jeweiligen Gemeinschaft. Insgesamt gesehen, handelt es sich also um keine bloße Marotte, sondern im Hintergrund spielen soziale Komponenten eine wichtige Rolle. Lassen wir Villingen und Schwenningen, Köln und Düsseldorf, Harburg und Hamburg also ihre Querelen und sehen das Ganze als eine natürliche Erscheinung, die niemals vergeht, solange es auf diesem Planeten noch menschelt.