Fraktion der Frustrierten zieht ins Harburger Rathaus

Rathaus3Harburg – Munteres Bäumchen-wechsle-dich in der Bezirksversammlung: Um 20.37 Uhr erklärte Isabel Wiest ihren Austritt von den Grünen und kündigte gleichzeitig

an, künftig für die Neuen Liberalen ihr Mandat wahrzunehmen. Nur wenige Minuten später verschickte Barbara Lewy eine Mail und erklärte ihren Austritt aus der SPD. Auch sie will ihr Mandat behalten, ließ aber zunächst offen, ob sie sich einer anderen Partei anschließt. Damit war noch nicht Schluss: Auch Anna-Lena Bahl auf Anfrage von harburg-aktuell.de an, die SPD zu verlassen. Jetzt nennen sie sich „Neue Liberale“. Noch am Freitagabend gründeten sie eine eigene Fraktion. Wie schon Kay Wolkau , der erst kürzlich die Grünen verlassen hatte, behalten sie ihr Mandat. Die neue Fraktion hat Wolkau als Fraktionsvorsitzenden und Anna-Lena Bahl als Stellvertreterin gewählt. Damit haben zwei ausgewiesene Partei-Hopper die Führungsspitze übernommen. Sowohl für Wolkau wie auch für Bahl ist es bereits die dritte Partei, in der sie sind. Wiest war erst kürzlich zu den Grünen gekommen. Barbara Lewy ist zwar langjähriges SPD-Mitglied gewesen. Sie gilt aber als Verliererin der innerparteilichen Auseinandersetzungen der letzten Monate.

Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU in Harburg, reagierte amüsiert auf die Nachricht. „Da haben wir ja eine Fraktion der Frustrierten“, sagt Fischer. „Der Großen Koalition, die ja weiterhin über eine satte Mehrheit wird es die politische Arbeit in der Bezirksversammlung erleichtern.“ Auch Jürgen Heimath reagierte gelassen. „Es ist bedauerlich. An dem eingeschlagenen Weg der Großen Koalition ändert das nichts.“ Am Montag wird der Vertrag, darüber sind sich Fischer und Heimath unterschrieben.

Bereits in den letzten Tagen hatten sich die Gerüchte verdichtet, dass nach der öffentlichen Unterzeichung des Vertrags für eine Große Koalition in Harburg („das GroKo“) eine „Bombe platzen“ würde. Nach dem spektakulären Wechsel des Grünen-Fraktionsvize Kay Wolkau zu den „Suding-Flüchtlingen“, die sich Neue Liberale nennen, rechneten viele mit weiteren Übertritten. Tatsächlich galt Isabel Wiest als „Hauptverdächtige“, zumal sie sich selbst als „gute Freundin“ von Kay Wolkau bezeichnete und es auch kein Geheimnis war, dass er die Sprecherin der BI Vogteistraße/Jägerstraße zu den Grünen gelockt hatte. Es war auch kein Geheimnis, dass Isabel Wiest gute Beziehungen zu den SPD-Abgeordneten Barbara Lewy und Anna-Lena Bahl pflegte.

Durchaus möglich, dass die Sitzung der Bezirksversammlung am Dienstagabend das Fass zum Überlaufen brachte – insbesondere die unsägliche Debatte über den Status der beiden FDP-Abgeordneten Viktoria Pawlowski und Carsten Schuster. Da zur Bildung einer Fraktion laut Bezirksverwaltungsgesetz mindestens drei Abgeordnete gehören, hatte die beiden um einen Status als „Gruppe“ gebeten. Damit wären sie zumindest im Ältestenrat vertreten und sie könnten sich in ihren Fachausschüssen gegenseitig vertreten. Aber das GroKo wollte nicht – mit den Argumenten „So ist das nun einmal“ und „was machen wir, wenn eines Tages zwei Rechtsradikale in die Bezirksversammlung gewählt werden?“ Eigentlich sollte klar sein, dass man die FDP-Leute nicht mit Spekulationen über ein künftiges Wahlergebnis gängeln sollte, das man als politisch jetzt Handelnde gefälligst zu verhindern hat.

Auf jeden Fall musste das GroKo in der Abstimmung um den Gruppenstatus Federn lassen. Wie berichtet enthielten sich Barbara Lewy und Fraktionskollege Samy Musa der Stimme, Anna-Lena Bahl stimmte gar für den FDP-Antrag. Und handelte sich damit massiven Ärger ein.

Für die Verwaltung bedeutet die neue Fraktion einer Partei, die niemand gewählt hat, Arbeit. Die Sitzordnung muss völlig neu geschnitten werden. Auch muss neu berechnet werden, wer in welchen Ausschüssen sitzt. So ist die Fraktion der Neuen Liberalen größer als die der AfD, die drei sitze in der Bezirksversammlung hat. ag/zv