Harburg neu denken: Hauptforderung wird Traum bleiben

HarburgCenter2Harburg – Der Saal des Sozialen Dienstleistungszentrum (SDZ) voll nachdenklicher Menschen, dazu Leckereien vom Blech, Getränke, bunte Kärtchen und

Klebepunkte, ein paar Stellwände. „Und dazu viele Harburgerinnen und Harburger, die man sonst nicht so häufig sieht“, sagte Baudezernent Jörg Penner. Allein deshalb habe sich dieser Abend gelohnt.

Das Bezirksamt und die „Urbanisten“ rund um Niels Petrin, TU Hamburg-Absolvent in den Fächern Städtebau und Stadtplanung, hatten dazu aufgerufen, „Harburg neu zu denken“. Im Klartext: Harburgerinnen und Harburg, spinnt euch die Zukunft in eurem Quartier zusammen, macht Vorschläge, auch erst mal ohne Rücksicht auf Realisierungschancen.

Es waren wohl 500 Ideen, die da in den vergangenen Wochen zusammen gekommen sind, viel ähnliches dabei, einiges recht schräg, einiges recht – naja, sagen wir mal – recht schlecht informiert (warum sonst schlägt jemand vor, im Harburg-Center endlich ein Museum für Harburger Stadtgeschichte einzurichten?), auffallend viele schlagen die Enteignung oder gleich den Komplett-Abriss eben jenes Harburg-Centers vor. Da musste Harburgs Chefstadtplaner Carl Henning von Ladiges gleich mal Hoffnungen dämpfen: „Eine Enteignung wird extrem schwer durchzusetzen sein. Und wir können den Eigentümer leider nicht zwingen, seine Immobilie zu nutzen.“

Um das alles ein wenig übersichtlicher zu machen, hatten Stadtplaner die Ideen gesichtet und in jedem der fünf Themenfelder die – ihrer Meinung nach – besten Ideen herausgefischt. Im Bereich „Shopping und Kultur“ fanden sie zum Beispiel sogenannte „Pop-up-Stores“ (sie werden in leer stehenden Geschäften kurzfristig und vorübergehend geöffnet), einen Sportplatz für Kinder oder ein White Dinner (gemeinsames Essen selbst mitgebrachter Speisen im öffentlichen Raum, alle haben ausschließlich weiße Klamotten an) für beachtenswert.

Anschließend hatten alle die Gelegenheit, andere Ideen auszuwählen und mit Klebepunkten zu bewerten. Überraschendes Ergebnis bei „Shopping und Kultur“: Die meisten Punkte bekamen die Forderungen „Erweiterung des Phoenix-Centers verhindern“ und „Erhalt des Veritas Beachclubs am jetzigen Standort“. Das sind natürlich Brüller, so oder so. Die Bezirksversammlung hatte mit großer Mehrheit – gegen die Stimmen von FDP und der Linken – der Erweiterung zugestimmt. Da hat der Beachclub bessere Aussichten. Wie auch immer. Finanziell ist das allerdings ein ganz dickes Brett.

• An dieser Stelle muss mal Platz für eine konstruktiv-kritische Würdigung sein: --    Zukunftsvisionen für Harburg gibt es schon länger. Auch solche, bei denen es den Bürgern freisteht, mitzureden und mitzuklingen. Leider haben sich die Politiker aus den Arbeitsgruppen „Harburg 2020/2050“ des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden peu à peu zurückgezogen. Dabei gibt es gerade hier eine Reihe von guten Erfolgen (siehe harburg-vision.de). Der Vorbehalt der Politiker: Sie wollen das Heft in der Hand behalten. Das war – wie immer wieder zu hören war – jedenfalls der Grund für den Antrag der SPD-Fraktion zur Einrichtung eines „Innenstadtdialogs“.

Der Wirtschaftsverein hat weniger Berührungsängste, jedenfalls waren die Vorstandsmitglieder Udo Stein und Andreas Schildhauer sowie Projektkoordinatorin Anette Eberhardt im SDZ mit dabei. „Demonstrativ“, wie zu hören war. 

• Das Themenfeld „Shopping und Kultur“ ist unglücklich gewählt. Kultur als fünftes Rad des Kommerzes? Wenn Kultur in Harburg nicht weiter ein peinliches Schattendasein führen soll, muss es zum eigenen Bereich werden – am besten nach der Wahl gleich mit einem eigenständigen Kulturausschuss. Und dort sollen zubenannte Bürger, die wirklich von Kultur etwas verstehen, etwas bewegen.

• So nett und kommunikativ das System mit den Klebepunkten ist, es kann nicht entscheidend (auch nicht vorentscheidend!) sein. Dafür ist es zu wenig kontrollierbar. Es hat für bestimmte Ideen jedenfalls massenweise „Leihstimmen“ gegeben.

Am 10. Februar geht es weiter. Dann werden die Ideen noch weiter „getrichtert“. ag