Harburgs Politik klammert sich an ausgelatschte Wege

130424BVHarburg – Sind gegenseitige Beschimpfungen und Beleidigungen oder auch Verdrehungen von historischen Tatsachen ein Indiz dafür, dass die Politik mit

ihrem Latein am Ende ist? Wer weiß? In der Bezirksversammlung Harburg stand mal wieder – wie nun schon seit mehr als zehn Jahren – die Anbindung des Phoenix-Centers an die restliche Harburger Innenstadt auf der Tagesordnung. Und wieder einmal fielen alle fünf Fraktionen zumindest verbal übereinander her.

Es war von Anfang an eine problematische Beziehung: Auf der einen Seite das attraktive Phoenix-Center, das alle Umsatzprognosen locker erfüllt. Auf der anderen Seite die Fußgängerzone, die in die Jahre gekommen ist und deren Immobilieneigentümer nur halbherzig an einem Strang ziehen. Und das Kaufhaus, das nach einem zukunftsfähigen Konzept sucht. Und die Harburg Arcaden, die wegen ihrer Lage, ihrer Größe und dem Zeitpunkt ihrer Eröffnung von Anfang an im Schatten des Phoenix-Centers standen.

Von all den Kunden, die das Phoenix-Center aus dem Umland nach Harburg lockt, könnten auch Fußgängerzone, Arcaden und Karstadt profitieren, wenn, ja wenn es leicht, locker und angenehm wäre, von hier nach da zu schlendern.

Das ist es aber nicht. Der Weg vom Phoenix-Center in die Fußgängerzone führt entweder über zwei stark frequentierte Straßenkreuzungen oder aber über eine ebenso belastete Straße, durch einen wenig einladenden Häuserdurchbruch in eine wuselige Passage, in der der eine eher fremdelt und sich unwohl fühlt, der andere sich dagegen eher wohltuend an den Urlaub in südlicheren Ländern erinnert fühlt. Danach geht es noch durch einen heruntergekommenen stinkenden Tunnel. Wo soll es nun längs gehen?

Nach einigem Hin und Her hat sich die SPD für den zweiten Weg entschieden. Jetzt wird der  Tunnel aufgehübscht, und in der Moorstraße sollen am besten nur noch Busse fahren.

Das hatte die CDU bisher auch so gesehen, bis ein Vertreter der Handelskammer vorschlug, sich für den ersten Weg zu entscheiden – also über die Wilstorfer Straße, über zwei Kreuzungen, vorbei am Cinemaxx. Der Antrag war flugs geschrieben, und der CDU-Abgeordnete Rainer Bliefernicht interpretierte ihn sogleich als Beweis, dass es in seiner Fraktion keine Denkverbote gebe.

Damit hatte er den Stein ins Wasser geworfen. Muammer Kazanci (SPD) erinnerte an das Jahrzehnt, in der die CDU in Harburg das Sagen hatte: „Gab es denn in der CDU zehn Jahre lang Denkverbote? Sie schnappen irgendwo etwas auf und machen gleich einen Antrag daraus. Sie sind doch völlig orientierungslos!“ CDU-Hardliner Ernst Hornung konnte sich kaum beruhigen: „Sie sind ein Schwätzer!“ Und: „Klugscheißer!“ Auch Bliefernicht rang um Fassung: „Was Sie sich hier erlauben, schlägt dem Fass den Boden aus. Eine echte Schweinerei! Statt sich hier ernsthaft um eine Lösung zu bemühen, schmeißen Sie das Geld für Gutachten zu dieser überflüssigen Landschaftsbrücke über die Bahn zum Fenster hinaus.“

Dann goss auch noch Carsten Schuster (FDP) ins Feuer: „Herr Kazanci hat Recht. Wer ist denn verantwortlich für die ganze Misere? Das war doch die CDU.“ Der Weg über die Wilstorfer Straße sei nur dann sinnvoll, wenn der Haupteingang des ECE an der Ecke Wilstorfer Straße liege. So sei es aber nicht. Darauf Hornung zu seinen Fraktionskollegen: „Den kannst du in der Pfeife rauchen.“

Die Aufregung steigerte sich noch. Kay Wolkau von den Grünen, die immerhin sieben Jahre gemeinsam mit der CDU Harburg regiert hatten: „Möglicherweise haben wir das Falsche gemacht. (Zwischenruf Kazanci: „Sie haben gar nichts gemacht!“) Deshalb ist der CDU-Antrag durchaus zielführend.“

Nun musste auch noch SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath ran. Er verschonte die Grünen, sagte dann: „Ich habe das Gefühl, die CDU lebt in einer Parallelwelt.“ Und schon eilte CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer in die Bütt: „Herr Heimath, heute und morgen spielt ja die Champions-League. Die Trainer haben dort ja die Möglichkeit, einzelne Spieler auszuwechseln. Ich fordere Sie auf, den Vorsitzenden des Stadtplanungsausschusses, Herrn Kazanci, auszuwechseln. Er ist ein Geschichtsfälscher.“ Und dann nannte Fischer Ross und Reiter: Es sei vor allem Hans-Dieter Lindberg (FDP) gewesen, der sein Harburg-Center habe verkommen lassen. Er habe damit eine positive Entwicklung in der Harburger Innenstadt blockiert. Und er habe sich bei seiner Blockade immer auf die Verträge berufen, die die SPD zu verantworten habe.

Darauf noch einmal Schuster von der FDP: „Ich lasse mich nicht in Sippenhaft nehmen. Aber es ist kein Wunder, dass die CDU so emotional reagiert. Ihr gehen offenbar die Argumente aus.“

Die Schlussworte gehörten Sabine Boeddinghaus von der Linken: „Das war ja eine Sternstunde der Bezirksversammlung: die Bankrotterklärung von SPD, CDU und den Grünen. Sie haben einfach kein Konzept für die Harburger Innenstadt. Alles was damals bei der Eröffnung des Phoenix-Centers befürchtet wurde, ist eingetreten.“

Der Antrag der CDU wurde mehrheitlich abgelehnt. ag