Genossen-Casting: Wenig Interesse an Kandidaten für Bundestag

120928CastingRönneburg - Egal, welcher der drei Juristen am 7. Dezember als SPD-Bundestagskandidat für Harburg, Wilhelmsburg und auch Bergedorf nominiert wird, am Ziel ist er damit noch nicht. Erst einmal muss er noch vom Volk gewählt werden und dazu muss jeder Kandidat jene Stammwähler mobilisieren, die der Rechtspopulist Ronald Schill der SPD vor mehr als zehn Jahre abgejagt hatte und die dann zur CDU „rübermachten“ oder sich ins große Lager der Nichtwähler verzogen. Die erste Chance, diese Stammwähler zurückzugewinnen, hat die Harburger SPD verpasst.

Anders als vor einer Woche im „Jägerhof“ interessierten sich im „Rönneburger Park“ nur eine Handvoll potenzieller Wähler für Frank Richter, Metin Hakverdi und Ingo Egloff. Wenn nicht noch rund 40 Parteifreunde aus den fünf Harburger SPD-Distrikten pflichtbewusst erschienen wären, hätten sich die Kandidaten in einem gespenstisch leeren Saal vorstellen müssen.

Die Vorstellungsrunde war schnell abgehakt. Wie schon in Hausbruch musste die Schwester, die schon seit 35 Jahren in Neugraben wohnt, für die lokale Kompetenz des Bramfelders Ingo Egloff herhalten, Hakverdi setzte mit dem türkischen Vater und der Mutter aus Meck-Pomm auf Multikulti und Frank Richter stilisierte sich als Arbeiterkind, das es dank sozialdemokratischer Bildungspolitik zum Rechtsanwalt gebracht hat.

Und noch? Moderator Harald Muras bat um Fragen, um „nun mal ein paar inhaltliche Unterschiede herauszuarbeiten“, warnte allerdings: „Wenn ich eine Frage für unverschämt halte, können wir ziemlich aneinandergeraten.“ Ein klein bisschen „fies“ wurde es dann doch, als Genosse Fritz Germer nach einem Ermittlungsverfahren fragte, das 2010 gegen Hakverdi wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Vermittlung einer Scheinehe eingeleitet worden war. Könnte  dies im Wahlkampf einen SPD-Kandidaten Hakverdi nicht einholen? Der Wilhelmsburger reagierte ziemlich cool: Das Verfahren sei wenig später eingestellt worden, kurze Zeit später habe er bei den Bürgerschaftswahlen das beste Einzelergebnis geholt.

Auch Egloff musste sich eine „alte Geschichte“ anhören. Der Bezirksabgeordnete Michael Dose fragte ihn noch einmal nach seiner „nicht hilfreichen“ Rolle als damaliger SPD-Landsvorsitzender, als vor der letzten Bundestagswahl im Bezirk Eimsbüttel der Streit um den Kandidaten Niels Annen geschlichtet werden musste. Und warum er den früheren Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde einfach als Bundestagskandidat abgelöst habe. Aber auch Egloff ließ sich nicht aus der Reserve locken. Es sei nicht die Aufgabe eines Landesvorsitzenden, sich in Eimsbüttler Angelegenheiten einzumischen, und „die Sache mit Ortwin“ sei abgesprochen gewesen.

Frank Richter blieb an diesem Abend von solchen Anwürfen verschont, einen kleinen „Dolchstoß“ hatte ihn schon sein Vorgänger im Amt des SPD-Kreisvorsitzenden, Hans Joachim Meissner, wenige Tage zuvor in einem Leserbrief an eine Harburger Tageszeitung verpasst. Meissner hatte an der Eignung von Richter gezweifelt, weil dieser „keinerlei Parlamentserfahrung“ habe. Weder Richter oder andere Genossen hatten auf die Vorwürfe öffentlich reagiert, derartige Attacken ihres „Parteifreundes“ sind sie seit Jahren gewohnt. Immerhin konnte Richter im „Rönneburger Park“ punkten, als es nämlich um aktuelle Probleme in Harburg ging. Egloff weiß wohl, dass da ganz oben die zunehmende Verkehrsbelastung  steht, egal ob auf den Bundesstraßen oder in Tempo-30-Zonen, die als Durchgangsstraßen herhalten müssen. Sein Kommentar dazu: „Ich glaube, das ist eine besondere Herausforderung.“ Richter kennt dagegen die neuesten Mobilitätsprognosen und er kennt auch die Zahlen für Harburg („Da ist mir richtig schwindelig geworden“).

Und wer ist nun der beste Kandidat? Bringen die Antworten auf eine scheinbar harmlose Frage des Bezirksabgeordneten Bernd Kähler die Entscheidung? Er wollte von den Kandidaten wissen, welchen Schatz sie in Harburg heben wollen, wenn sie denn in Berlin säßen und mehr Einfluss hätten. Egloff sieht in den 36 Bebauungsplänen für den Wohnungsbau ein großes Potenzial. Das müsse man umsetzen, ohne die Leute zu verdrängen, die jetzt dort wohnen. Klingt ganz gut. Frank Richters Schatz ist die Technische Universität. Sie habe ungeheure Strahlkraft, die immer noch nicht ausreichend genutzt werden. Auch nicht schlecht. Und dann sagt Hakverdi: „Der Schatz, den ich heben möchte, ist die Bevölkerung.“ Mitten hinein ins sozialdemokratische Herz! Trotzdem war mindestens ein Genosse enttäuscht: „Toller Ansatz, aber dann kam nichts mehr. Das war nicht zu Ende gedacht.“

Was an diesem Abend noch auffiel: Die bekennenden Hakverdi-Unterstützer aus Harburg, die im Vorfeld schon ordentlich auf allen Kommunikations-Kanälen getrommelt hatten, hielten sich an diesem Abend spürbar zurück. Offenbar trauen sie eher jenen Runden in ihren Distrikten, bei denen sie alles im Griff haben. Erst dort nämlich werden jene Delegierten bestimmt, die am 7. Dezember den einen Kandidaten wählen sollen.  ag