Rathaus
Das Rathaus Harburg, eigentlicher Sitz der Bezirksversammlung. Foto: André Zand-Vakili

Gassi-Beutel und "Sodom und Gomorra" beschäftigen die Bezirksversammlung

Harburg - Die Bezirksversammlung gibt mit den Stimmen der SPD, Grünen, Linken und FDP grünes Licht für Einrichtung einer Erstaufnahme für Flüchtlinge. Frank Richter (SPD) hatte zuvor eingeräumt, dass die SPD die Erstaufnahme an dem Ort "kritisch" sehe. Angesichts der Entwicklung in der Ukraine sehe er aber mehr denn je die Notwendigkeit vermehrt Plätze für Flüchtlinge zu schaffen.

Matthias Arft (AfD) und Ralf-Dieter Fischer (CDU) lehnten den Antrag, konkret geht es um eine Befreiung, die ein Nutzungsänderung erlaubt, ab. Beide führten an, dass man den Bebauungsplan ändern müsse. Fischer bezweifelte die Sozialverträglichkeit einer Erstaufnahme an der Stelle, machte aber geltend, dass der Ukrainekonflikt eine neue Bewertung nötig mache. Fischer hätte gern die Zusage, dass dort nur Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden. Die gibt es aber nicht. Jetzt wird wohl in die Seniorenwonhanlage eine Erstaufnahme integriert. Erstmal für 12 Monate. Die gibt es aber nicht.

Eine echte Jammergeschichte über das Bahnhofsumfeld in Neugraben lieferte Lars Frommann von der CDU ab. Ein bisschen mehr Betonung und weniger Ablesen vom Blatt und man wäre schwer ergriffen gewesen. Besonders verwerflich: seiner Tochter wurde dort das Fahrrad gestohlen. Mehrmals! Persönliche Betroffenheit, so eine alte Weisheit, schärft auffallend oft bei Politikern die Sinne für Probleme..

Mal ein paar Wortfetzen aus Frommanns Rede: "Sodom und Gomorra", "professionelle Dealer", "ist jeder froh, wenn er heil vom Bahnhof weg kommt", "zerschlagene Flaschen, herausgerissene Gehwegplatten und Gestank", "alle abgerissen und vernichtet", "verstehe jeden, wenn er sich dort nicht sicher fühlt".

Schade: Die Polizei hat, was Kriminalität angeht, nicht diese Erkenntnisse. So hat man durch eine Erhebung festgestellt, die sich über mehrere Wochen erstreckte, dass man dort am Tag durchschnittlich 0,84 Einsätze hat. Dort stuft man die Gegend für einen Bahnhof als eher "unauffällig" ein. Man weiß aber auch um einen besonders eifrigen Beschwerdeführer.

Andererseits: Richtig überrascht dürfte Politik, was "Behaglichkeit" angeht, angesichts der Ansiedlungspolitik im Umfeld nicht sein. Langeweile, Jugend, Alkoholkonsum und schlechtes Benehmen, liegen oft nah beieinander. Ein Bahnhof wie aus "Schöner Wohnen" ist in so einem Fall schwierig zu realisieren.

Und die SPD? Die kennt das Problem von ihren Infoständen, bemäkelt aber lieber den Antrag der CDU als verworren. Klingt wie die Flucht vor der erniedrigenden Realität. Endergebnis: Das Thema kommt in den Regionalausschuss, um es "in Ruhe zu besprechen".

Ulla Taha von den Linken möchte das Abrigado zu Wort kommen lassen. Könnte interessant werden nach der Schiesserei zum Jahresende, bei der zwei Menschen verletzt wurden. Der Täter ist nicht gefasst und soll sich ins Ausland abgesetzt haben. Taha hatte aber nicht das Thema im Sinn. Das Abrigado soll Personal verlieren, was Taha sehr besorgt.

Die Erkenntnisse korrespondieren allerdings nicht mit denen der anderen Abgeordneten, die Taher dann auch der Verbreitung von Fake-News oder verständlicher gesagt Quatsch bezichtigten. Vielleicht liegt es an den Quellen. Während sich die anderen Abgeordneten in Ausschüssen informierten, hatte Taher ihr Wissen aus einer linken Tageszeitung.

Schöne Erkenntnis am Rande. Ralf-Dieter Fischer von der CDU hält das Abrigado für eines der Harburger "Leuchtturmprojekte". Das hat Fischer wohl recht. Was die Anziehungskraft eines internationalen Publikums angeht, ist das Abrigado, das ursprünglich als Einrichtung für die Betreuung lokaler Süchtiger konzipiert wurde, vermutlich deutlich erfolgreicher als beispielsweise alle IBA-Projekte, die seinerzeit im Bereich Harburg stattfanden.

Auf den Hund gekommen ist Isabell Ehlers von der FDP. Alle drei Anträge der Liberalen drehen sich um Fiffis. Sie ist ja auch nicht nur Mutter, sondern auch Hundebesitzerin. Ehlers macht sich unter anderem Gedanken um den Altplastikanteil in Gassi-Beutel, jenen in der Regel in dezentem Schwarz gehaltenen Tüten, in denen die Besitzer die Ködel ihrer Hunde mit sich rumtragen. Wenn das kein Thema ist, dass nach einer Lösung auf Bezirksebene schreit.

Und die Grünen? Wortkarg, wenn es um die Anträge der anderen Parteien ging. Sie selbst beschäftigen sich mit Fahrrad, Fahrrad, Fahrrad, bösen Autofahrern, die an einem zu nah "vorbeizischen" und einem bisschen mit Hochwasser. Das politische Niveau dieser Partei scheint aktuell auf der Höhe eine Fahrradsattels hängen geblieben zu sein. zv