Harburgs politische Gremien nutzen Corona zur Abschottung
Der Hauptausschuss tagte im großen Sitzungssaal – mit großen Sicherheitsabständen. Foto: mag

Harburgs politische Gremien nutzen Corona zur Abschottung

Harburg –  Langsam wird die Bezirkspolitik in Harburg zur Farce! Dass die Ausschüsse seit Wochen wegen Corona nur  noch hinter verschlossenen Türen stattfinden,

mag aus Sicherheitsgründen noch gerechtfertigt sein – auch wenn die Öffentlichkeit sicher mehr darüber erfahren möchte, warum der Leiter des Gesundheitsamts ausgerechnet während einer Pandemie gehen musste. Jetzt wurde zur Sitzung des Hauptausschusses erstmals eine Handvoll Journalisten zugelassen. Ihr Eindruck: Das Bezirksamt und hier allen voran Dierk Trispel, Dezernent für Steuerung und Service, halten wenig von Transparenz. Und von Digitalisierung schon gar nichts.

Beispiel 1: In der April-Sitzung des Hauptausschusses hatte Jürgen Marek von den Grünen darum gebeten, die Zahlen der Corona-Infektion künftig nach Bezirken aufgeschlüsselt zu bekommen – um die Lage besser beurteilen zu können. Einen Monat später hat er nachgefragt, weil es die Zahlen immer noch nicht gibt. Der zuständige Dezernent Dirk Trispel dazu: „Ich habe die Bitte an die Innenbehörde und an die Gesundheitsbehörde weitergeleitet.“ Ja, und? „Ich habe keine Reaktion bekommen“, sagt Trispel. Auf die Idee, mal nachzuhaken, ist er offenbar nicht gekommen.

Beispiel 2: In Sorge um die Transparenz in Zeiten von Corona hat der für die Bezirke zuständige Finanzsenator Andreas Dressel angeregt, die Sitzungen der bezirklichen Ausschüsse künftig im Livestream zu übertragen. Wenige Tage danach haben die Bezirksversammlungen Mitte und Wandsbek dies umgesetzt. Mit Resonanz: Die Sitzung des Hauptausschusses Wandsbek verfolgten mehr als 170 Bürger. So viele Gäste hat die Bezirksversammlung Harburg zu normalen Zeiten in einem ganzen Jahr nicht.

Und was sagt Dirk Trispel? „Die Anschaffung des Equipments wird bezahlt werden, wer die laufenden Kosten der Bedienung übernimmt, ist noch nicht geklärt.“ Außerdem müsse dieser Service ausgeschrieben werden. Vor der Sommerpause sei mit keinem Ergebnis zu rechnen. Wie die Bezirke Mitte und Wandsbek das geschafft haben, bleibt ein Rätsel.

Die  Sitzungen der Hamburgischen Bürgerschaft werden längst im Livestream übertragen, nur Harburg weigert sich standhaft. Anfang 2017 sah das noch ganz anders aus. Nach einem gemeinsamen Antrag der Grünen, der Linken und der Neuen Liberalen verkündete Trispel: „Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für den kommunalen Bereich würden Persönlichkeitsrechte bei Ausübung eines öffentlichen Amts zurückstehen.“ Mit anderen Worten: Livestream kann kommen. Nach Informationen von harburg-aktuell soll damals vor allem die SPD-Fraktion gemauert haben. Sie wollte das nicht.

Zwei Jahre später urteilte Trispel dann auch ganz anders: „Bei vielen Mitgliedern geht vor laufender Kamera die Unbefangenheit verloren bis hin zu einer Weigerung, überhaupt noch an das Rednerpult zu treten und dort in freier Rede zu sprechen.“  Also wieder nichts.
Zumindest die datenschutzrechtlichen Probleme sind längst geklärt. Für die Bezirksversammlung Wandsbek hat der hamburgische Datenschutzbeauftragte ein Gutachten erstellt. Einzige Bedienung: Die einzelnen Abgeordneten müssen ihre Einverständnis zur Übertragung erklären.

Beispiel 3: Nach der April-Sitzung des Hauptausschusses hatte die Pressestelle des Bezirksamts mitgeteilt, welche Beschlüsse gefasst worden sind. Einzelheiten könnten im öffentlich zugänglichen Ratsinformationssystem nachgelesen werden. Die entsprechenden Drucksachen sind bis heute nicht veröffentlicht.

Die Beschlüsse der Bezirkspolitiker sind zurzeit öffentlich nicht nachvollziehbar. Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Im Juni soll es jeweils noch eine nicht öffentliche Sitzung des Hauptausschusses, des Stadtentwicklungsausschusses und des Jugendhilfeausschusses geben – aller Wahrscheinlichkeit ohne Livestream. Und dann ist Sommerpause. Bis September. ag