Bezirksversammlung: Opposition prallt an der GroKo ab

Rathaus4Harburg – Klare Sache, und damit hopp: Die Bezirksversammlung Harburg ist durchaus in der Lage, schnelle Entscheidungen zu treffen. Ohne große Debatte stimmte sie

einem Antrag der SPD-Fraktion zu, mit dem die Kassenärztliche Vereinigung aufgefordert wird, in Harburg eine Notfallpraxis einzurichten. Damit sollen die Notaufnahmen der Harburger Kliniken entlastet werden.

Ratzfatz wurden auch 20.000 Euro bewilligt, mit denen die Harburger Sportvereine jährlich in ihrer sozialen Kinder- und Jugendarbeit unterstützt werden. Außerdem gab es 20.000 Euro für das Kulturprogramm des Binnenhafenfests, 5700 Euro für eine Sanierung der Schießanlage der Heimfelder Schützen, 3000 Euro für die Trockenlegung der Pony-Reitbahn in Meyers Park, 15.000 Euro für das Projekt „Lokale Ökonomie Harburg“ des Unternehmer ohne Grenzen e.V., 6560,96 Euro für das Projekt „Inklusive Süd – eine Bühne für alle“ der BHH Sozialkontor GmbH, 29.750 Euro für den Förderverein Harburg 21 sowie 31.000 Euro für den Umbau der Kugelstoßanlage der Hausbruch-Neugrabener Turnerschaft.

Das alles ging glatt durch. Aber dann: Gelegentlich muss es recht schwer sein, in der Bezirksversammlung Harburg Abgeordneter von SPD und CDU zu sein. Die Mehrheit der GroKo steht zwar, und wenn man mit einem Antrag erst einmal die innerparteilichen Hürden überwunden und auch die Zustimmung des Koalitionspartners gewonnen hat, ist er so gut wie beschlossen. Die Opposition hat dagegen nichts zu lachen.  Wenn die GroKo mal großzügig ist, winkt sie einen Antrag von den Grünen, der Linken, der AfD, der FDP oder den Neuen Liberalen ohne Annahme zur weiteren Beratung in einen Fachausschuss durch. Wo er dann still und heimlich „beerdigt“ wird. Die jeweiligen Begründungen der GroKo  haben oft Quäl-Charakter – für einen denkenden SPD- oder CDU-Abgeordneten eine Zumutung!

Da soll der Regionalausschuss Süderelbe darüber entscheiden, wie die Straßen im Neubauquartier Fischbeker Heidbrook heißen sollen. Man ist sich einig, dass sie nach Widerstandskämpferinnen im Nazi-Deutschland benannt werden sollen, die SPD hatte auch vorgeschlagen, den ersten Generalinspekteur der Bundeswehr  mit einer Straße zu ehren. André Lenthe, Fraktionsvize der Linken, ist sich allerdings nicht ganz sicher, ob das gut ist. Denn: „Es gibt Berichte, dass Röttiger als ehemaliger Wehrmachtsgeneralstabschef der Heeresgruppe C von Kriegsverbrechen in Italien wusste und die Täter später vor Gericht in Schutz nahm.“

Lenthe selbst maßt sich aber kein Urteil über die Person Hans Röttiger an und fordert deshalb, einen Historiker im Regionalausschuss dazu zu hören. Der Antrag wurde von der GroKo abgeschmettert. Begründung des SPD-Fraktionsvize Arendt Wiese: „Der Regionalausschuss ist doch kein Volkshochschulkurs.“

Nicht besser erging es der Fraktionschefin der Grünen, Britta Herrmann. Sie hatte eine Idee entwickelt, wie jenen 17.000 Flüchtlingen geholfen werden kann, die immer noch unzureichend in Baumärkten oder Zelten untergebracht sind: „Lasst uns eine Kampagne starten, um Alternativen zu diesen Großunterkünften zu finden.“ Sie dachte dabei zum Beispiel an  ungenutzte Einliegerwohnungen, Untervermietung von Zimmern, WG-Plätze oder Zwischennutzung von Wohnräumen, die saniert oder abgerissen werden sollen. „Damit können wir das Problem nicht lösen, zumindest aber verringern“, sagte Herrmann. Barbara Lewy von den Neuen Liberalen unterstützte sie: „Wir müssen doch jede Idee aufgreifen, vielleicht entstehen dadurch neue Möglichkeiten.“ Doch das alles beeindruckte die GroKo nicht. Abgelehnt!

Die FDP wiederum hat Zweifel, ob bei der jüngsten Erweiterung des Phoenix-Centers alles mit rechten Dingen zugegangen ist. „Die Gutachter hatten eine Erweiterung mit Geschäften für hochwertige Mode empfohlen“, sagt FDP-Mann Carsten Schuster. Genau dies sei nicht passiert, weil sich – so die Begründung des Bezirksamts – die Lage auf dem Weltmarkt geändert habe. Es gebe eine Reihe von weiteren Ungereimtheiten, deshalb verlangte Schuster, das Thema zur Vertiefung noch einmal im Stadtplanungsausschuss zu besprechen. Aber die GroKo wollte nicht. Abgelehnt!

Für einige GroKo-Abgeordnete scheint die Opposition gar ein rotes Tuch zu sein, das sie zur Weißglut bringen kann. CDU-Vize Uwe Schneider hatte gerade seinen Antrag vorgestellt, mit dem – so Schneider – das Kindeswohl auf dem Rathausplatz gesichert werden soll. Er  hatte abends auf dem Harburger Rathausplatz unter den alkoholisierten Männer und Frauen auch Kinder und Jugendliche gesehen. Schneiders Vorschlag, den er zuvor schon in einer Pressekonferenz seiner Fraktion schon ausführlich begründet hatte: „Schickt den Trinkern die Polizei auf den Hals, dann werden sie verunsichert und vertrieben.“ Im Antrag war das ein wenig zurückhaltender formuliert: „Die zuständigen Ordnungsdienststellen sollen durch regelmäßige Kontrollen und gegebenenfalls Einschreiten verhindern, dass es zu Kindeswohlgefährdungen kommt.“

Kadriye Baksi von der Linken, die 30 Jahre als Sozialarbeiterin tätig war, äußerte Zweifel, ob es den Kindern und Jugendlichen wirklich hilft, wenn sie ständig mit der Polizei konfrontiert werden. Keine Frage, sie brauchten Hilfe, das könnten Fachkräfte aber besser. Außerdem: Konsequenterweise müsse Schneider die Polizei auch zu den Kindern schicken, deren Eltern in den eigenen vier Wänden trinken. Das reichte! Schneider rastete völlig aus, brüllte herum, warf Baksi wieder einmal „ideologische Verblendung“ vor – und kassierte prompt einen Ordnungsruf. Seine Fraktionskollegin Brit-Meike Fischer-Pinz, Fachärztin für Sozialpsychiatrie und Sozialtherapie, gelang es zwar noch, ein wenig Sachlichkeit in die Debatte zu bringen, solche Ausfälle braucht dennoch niemand. Die GroKo  stimmte dem Antrag zu. ag