Weitere Flüchtlingsunterkünfte: Die Nerven liegen blank

RathausHarburg – Eklat in der Bezirksversammlung Harburg: Ein Marmstorfer aus dem Krönenbarg wollte in der Bürgerfragestunde wissen, wie die Fraktionen zu den geplanten

Flüchtlingsunterkünften am Sinstorfer Kirchenweg und am Leuchtkäferweg stehen. Zugleich kündigte er noch viele weitere Fragen an.

Doch schon die Antworten zu seiner ersten Frage hielt der Mann nicht aus. Lautstark rief er in den Saal: „Wissen Sie denn nicht, dass die Frauen Angst vor Vergewaltigungen haben?“ Und nun gab es für ihn kein Halten mehr: Er brüllte herum, stellte immer wieder die gleiche Frage und verkündete: „Einige Frauen und Mädchen haben sich schon bewaffnet.“ Dann stand er auf, packte seine Sachen, rief: „Mit Euch bin ich fertig! Und bevor Ihr mich aus dem Saal werft, gehe ich lieber selbst.“ Sprach’s, ging, hielt in der Tür noch einmal inne und brüllte: „Parallelwelt!“ Und weg war er.

Zuvor hatte Jörn Lohmann, Fraktionschef der Linken, die geplanten Flüchtlingsunterkünfte begrüßt, gleichzeitig aber bedauert, dass die anderen Fraktionen die Forderung der Linken nach einem Integrationskonzept abgelehnt hätten. Im Übrigen halte er nichts von Obergrenzen, schließlich habe sich Deutschland jahrelang um die Verantwortung gedrückt. Das war für den Mann aus dem Krönenbarg zu viel.

Bei der Rede von CDU-Vize Rainer Bliefernicht blieb der Mann noch ganz ruhig. Dafür wunderten sich andere. Immerhin ist Bliefernicht ein Frontmann der Großen Koalition in Harburg, was ihn aber nicht hinderte, heftige Kritik am Ersten Bürgermeister zu üben und ihn aufzufordern, die Unterkünfte endlich gerecht auf die Bezirke zu verteilen. Bliefernicht: So lange das nicht passiert, werden wir keiner weiteren Unterkunft zustimmen.“ Ob das durch den Koalitionsvertrag der Harburger GroKo gedeckt ist? Carsten Schuster von der FDP konnte sich einen Scherz nicht verkneifen: „Herr Bliefernicht, Sie können ja mal bei Mutti in Berlin anrufen und sich beschweren.“

Vor Jörn Lohmann redete auch noch Jürgen Marek von den Grünen. Und der muss den Mann aus Marmstorf „vorgeglüht“ haben. „Nach unserem humanitären Verständnis muss jeder Stadtteil seinen Verpflichtungen nachkommen“, sagte Marek. Die Grünen hätten sich zwar immer für kleinere Unterkünfte eingesetzt, aber die Zeit habe sie überrannt, so dass sie jetzt auch Unterkünfte mit 400 und mehr Plätzen akzeptieren. Schließlich ein wichtiger Satz, der noch einmal an die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie erinnerte: „Sie als Bürger haben ein Recht auf umfassende Informationen, sie haben aber kein Recht, hier mit zu entscheiden.“

Als der Mann aus Marmstorf draußen war, meldete sich Ulf Bischoff von der „Alternative für Deutschland“ zu Wort. Er lehnt die Unterkunft am Leuchtkäferweg ab, die Unterkunft am Sinstorfer Kirchweg müsse auf 170 Plätze beschränkt werden. Eine Alternative, wo man die restlichen gut 700 Flüchtlinge unterbringen könnte, nannte Bischoff nicht.

Eine Abstimmung über die Unterkünfte am Sinstorfer Kirchweg und am Leuchtkäferweg gab es nicht. Die Entscheidungen sind längst woanders gefallen. ag

Veröffentlicht 27. Januar 2016