Flüchtlinge: Bezirkspolitik hat zu vielen Fragen keine Antworten

FluechtlingsunterkSchwarzenbergHarburg – Wenn es um die Standorte von Flüchtlingscamps geht, können die 51 Bezirksabgeordneten diese nur noch abnicken und sich vielleicht ein wenig aufregen. Die

Entscheidungen werden an höherer Stelle getroffen. Trotzdem hat sich die Bezirksversammlung Harburg in ihrer letzten Sitzung vor dem Jahreswechsel fast ausschließlich mit der Unterbringung der geflüchteten Menschen beschäftigt – dabei haben sich die Abgeordneten im Umgang mit den Menschen, die hier zu Hause sind, die in der Nachbarschaft der Unterkünfte wohnen und letztlich für die Integration der Flüchtlingen sorgen können als  ziemlich hilflos erwiesen.

Die Neugrabener Bürgerinitiative mit dem unsäglich ungeschickten Namen „Nein zur Politik! Ja zur Hilfe!“ hatte schon vor einem Monat in der Bezirksversammlung ein paar Fragen zum geplanten Flüchtlingsdorf in der Fischbeker Elbmarsch für viel mehr als 3000 Menschen gestellt, und SPD-Fraktionsvize Claudia Loss hatte ihr versprochen, ein paar offene Punkte schriftlich zu beantworten. Hat sie aber nicht.

Nun hat die Initiative nachgehakt. Wie vor einem Monat bat sie um Zahlen zur Geschlechteraufteilung, zur ethnischen Herkunft und zum Bildungsgrad der aufgenommenen Flüchtlinge in Harburg. Und wieder antwortete Claudia Loss. Sie begann nicht etwa mit einer Entschuldigung für ihr Versäumnis, sondern sie sagte: „Ja, ich hab mal nachgefragt. Aber solche Zahlen werden nicht erhoben. Diese Menschen flüchten unabhängig von Bildungsgrad oder Geschlecht.“  Das fand auch GroKo-Partner Ralf-Dieter Fischer von der CDU. Es gebe zwar einige der gewünschten Zahlen, aber die seien nicht belastbar – worauf ihn ein Vertreter der Initiative aus dem Zuschauerbereich lautstark fragte: „Wie wollen sie den diese Leute integrieren, wenn sie diese Zahlen gar nicht richtig erheben?“ Sollte da endlich ein Dialog zwischen Politik und Bürgern  anfangen? Nein, der Vorsitzende der Bezirksversammlung Manfred Schulz rief den Zwischenrufer zur Ordnung und untersagte ihm weitere Äußerungen, wenn er nicht dran sei.

Noch weniger glückte die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern bei Frage 5 der Initiative: Wie schätzt die Bezirksversammlung die aktuelle Sicherheitslage im Bezirk Harburg nach den Terroranschlägen in Paris ein? Ob die Bezirkspolitiker da die richtigen Ansprechpartner sind, sei dahingestellt. Jedenfalls sollten sie aufgerufen sein, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Und wieder Claudia Loss. Sie begann so: „Ich habe heute Morgen meine zwölfjährige Tochter gefragt, ob sie Angst hat. Und sie hat nein gesagt.“ Ob sich da noch ein Bürger ernst genommen gefühlt hat? Immerhin sagte die SPD-Frontfrau noch: „Ich habe auch beim Polizeikommissariat 46 gefragt. Auch die haben mir gesagt, dass für Harburg keine besondere Gefahr bestehe.“

Der FDP-Abgeordnete Carsten Schuster teilt diese Einschätzung der Gefahrensituation. Allerdings sagte er: „Die Gefahr in Harburg ist genauso groß wie in Paris, London oder Beirut.“ Ob er über diese Aussage wirklich nachgedacht hat? Wohlkalkuliert schienen dagegen die Worte von AfD-Mann Ulf Bischoff zu sein, der sich dank des bundesweiten Umfragehochs seiner Partei spürbar im Aufwind fühlte. Er rechnete dem Plenum vor, dass 60 junge Hamburger zum Kämpfen nach Syrien gegangen seien. Und 20 seien zurückgekehrt. Damit habe sich die Zahl der Rückkehrer innerhalb weniger Jahre verdreifacht. Außerdem seien jene zwei Hamburger Moscheen, die vom Verfassungsschutz als Treffpunkt der Salafisten eingestuft werden, ausgerechnet in Harburg zu finden. Das sei eine latent hohe Gefahr. Ob sich diese jetzt noch verstärkt habe? Bischoff: „Ein Teil dieser Antworten könnte uns beunruhigen.“ Er fand’s lustig, Jörn Lohmann von der Linken weniger: „Es sind genau solche Äußerungen, die bundesweit zu Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte führen.“ Bischoff laufe Gefahr, zum Brandstifter zu werden.

Nach dieser Fragestunde kommt ein wenig Verständnis für das „Nein zur Politik!“ auf. Der Dialog sollte trotzdem fortgesetzt werden, alles andere wäre fatal. Auch wenn CDU-Chef „Radi“ Fischer in einem Satz verriet, was er von Bürgerinitiativen hält. Die Frage nach kleineren Unterkünften für Flüchtlinge beantwortete er so: „Wollen Sie wirklich kleinere Unterkünfte? Dann hätten wir im Bezirk 25 Unterkünfte, aber auch 25 Bürgerinitiativen.“ ag