Die drei katholischen Schulen im Bezirk Harburg stehen vor dem Aus
Das Niels-Stensen-Gymnasium, bestehend aus Neubau und alter Feuerwache an der Hastedtstraße. Foto: André Zand-Vakili

Die drei katholischen Schulen im Bezirk Harburg stehen vor dem Aus

Harburg – Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Das Erzbistum Hamburg will möglicherweise alle drei im Bezirk Harburg befindlichen katholischen Schulen schließen.

Entschieden ist es beim Niels-Stensen-Gymnasium in der Alten Feuerwache an der Hastedtstraße. Auf der Kippe stehen die Katholische Schule Harburg an der Julius-Ludowig-Straße und die Katholische Schule Neugraben. Findet sich keine Finanzierung, werden auch sie geschlossen. Der Grund ist Geldmangel. Die Überschuldung des Erzbistums liegt bei 80 Millionen Euro.

Erst im Dezember waren die Ergebnisse der Untersuchung durch die Unternehmensberatung Ernst & Young vorgestellt worden. Sie hatte errechnet, dass das Minus des Erzbistums bis 2021 auf 350 Millionen Euro steigt, wenn weiter wie bisher verfahren wird. Bereits im Dezember waren von der Kirche deshalb „deutliche Veränderungen und Reformen“ angekündigt worden.

Dass sie so schnell kommen, ahnte niemand. Am Donnerstagabend, so hieß es gegenüber harburg-aktuell, seien die Schulen informiert worden. „Niemand hat geahnt, dass es so kommen würde“, heißt es aus einer Schule. Wie sehr die Schulen überrascht wurden, zeigt auch, dass das Niels-Stensen-Gymnasium noch am Freitag, den Tag nach der Nachricht, einen „Tag der offenen Tür“ wollte, um neue Schüler zu gewinnen. Der fiel aus. In einem Schreiben an die  Mitarbeiter der katholischen Schule Harburg begründete das Erzbistum die Entschedung so: "Nach einer differenzierten Analyse der wirtschaftlichen, baulichen und systemischen Relevanz musste sie im Vergleich zu anderen katholischen Schulen in der Hansestadt als nicht zukunftsfähig eingestuft werden."

Für die Schüler, die aktuell an den drei Schulen sind, soll sich nichts ändern. Die Schulen sollen „auslaufen“. Das bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen dort ihre Schul- oder Grundschulzeit beenden. Neue Schüler sollen nur noch diesen Sommer angenommen werden. Wie ein Auslaufprogramm in den Schulen umgesetzt wird und ob sich neue Schüler für diese Schuljahr finden lassen, wird sich zeigen.

Für den Bezirk Harburg ist die Schließung ein herber Schlag. An den drei Schulen in Harburg und Neugraben werden aktuell laut des Erzbistums 1534 Schüler unterrichtet. Diese Zahl von Plätzen wird zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen. Andere Schulen werden sie auffangen müssen.

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Birgist Stöver ist bestürzt. Sie sieht eine Mitschuld der Stadt an den Schließungen. "Die wirtschaftlichen Defizite hat die Stadt Hamburg durch jahrelange mangelnde Finanzierung mit verursacht. Bis 2004 wurden lediglich 49 Prozent für die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrag erstattet“, so Stöver. Sie hofft, dass die angedachten Schulschließungen noch zurückgenommen werden. „Gerade bei uns im Bezirk Harburg, wo viele Kinder besonders von einen sozialen und christlich gestützten Bildungsangebot profitieren, halte ich die geplanten Schulschließungen für unakzeptabel. Jetzt müsse der Senat „alle Hebel in Bewegung setzen“. Im Klartext: Die Stadt müsse die finanziellen Mittel zur Rettung der Schulen bereitstellen. „Außerdem erwarte ich in dieser Sache Solidarität innerhalb der katholischen Kirche“, so Stöver. „Der reiche Süden Deutschlands sollte hier seine Glaubensbrüder und -schwestern im Norden unterstützen - das wäre gut investiertes Geld für eine vom christlichen Glauben geprägte Bildung.“

Bei der SPD hält sich das Bedauern über das Aus der katholischen Schulen offenbar in Grenzen. "Das staatliche Schulsystem bietet viele gute Möglichkeiten. Doch mit den katholischen Schulen in Harburg gab es halt noch eine Alternative", heißt es von Jürgen Heimath, Fraktionschef der SPD. Er rechnet vor, dass jede Harburger schule rund 3,5 Millionen Euro bekommen hat. "Von diesen jährlich in etwa 10 Millionen Euro für Harburgs katholische Schulen ist allerdings wenig in den Substanzerhalt gegangen. Das Versäumnis des Verbands fällt nach der Eingliederung des katholischen Schulsystems nun dem Erzbistum auf die Füße", so Heimath. Hamburg habe nach langer Zeit des Sanierungsstaus erkannt wie wichtig es ist, in den Schulbau zu investieren und hat ein umfassendes Sanierungsprogramm an den staatlichen Schulstandorten umgesetzt. Heimath: "Genau das aber hat der katholische Schulverband versäumt." Das drei Schulschließungen für den Bezirk hart sind, realisiert auch er. Heimath sieht aber Erzbistum in der Pflicht. "Hier muss sich das Erzbistum auch entscheiden, welcher Rat der bessere ist – der Rat einer Unternehmensberatung oder der Rat der sich aus den christlichen Sozialprinzipien ergibt. Gerade der drohende vollständige Verlust der katholischen Schulen im Bezirk Harburg kann nicht hingenommen werden."

Die Grünen fwollen einen "runden Tisch"  und fordern, dass alles daran gesetzt werden, die drei Schulstandorte zu erhalten. Dabei sollte es um Modelle neuer Trägerschaften gehen, oder um die Übernahme in das Staatliche Schulsystem. Es wäre für alle Beteiligten unvertretbar einer Verteilung von knapp 1.500 Schülern auf die umliegenden Schulen zuzustimmen. "Hier ist akuter Handlungsbedarf", so Britta Herrmann, Fraktionsvorsitzende der Harburger Grünen. Dass das Erzbistum schlecht gewirtschaftet habe, liege innerhalb des Systems und sei eine Sache, auf die kein anderer Einfluss hat. Was für uns Harburger wichtig sein sollte, sind die  Schließungskriterien die zugrunde gelegt wurden und warum der Bezirk Harburg mit drei Standortschließungen, in besonderer Härte getroffen ist. Denn damit trage Harburg einen Anteil von über 50Prozent der von den Schließungen betroffenen Schülerschaft. zv

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Lesermeinungen:

Ich finde diese völlig unerwartete Verkündigung unglaublich und nicht nachvollziehbar. Das Niels-Stensen-Gymnasium ist -von der Verwaltung einmal abgesehen- in einem topmodernen Neubau untergebracht, von Sanierungsstau ist im Vergleich zu manch staatlicher Schule nichts zu sehen. Auch war von Unwirtschaftlichkeit bisher nicht ernsthaft die Rede.  Nun wird allen Lehrkräften, Schülern und Eltern vor den Kopf gestoßen und eine offenbar bereits feststehende Entscheidung präsentiert, über die niemand der Betroffenen vorab informiert wurde.
Wenn das die Prinzipien der katholischen Kirche widerspiegelt, wundert es mich nicht, dass sie um ihre Mitgliederzahlen bangen muss. Wo sonst können  christliche Werte besser und nachhaltiger vermittelt werden, als in den Schulen?
Wir sind zwar nicht katholisch, haben uns aber wegen der Stärken im sozialen und allgemein menschlichen Bereich bewusst für das NSG entschieden. Dieses Vertrauen wird nun bitter enttäuscht. Die Schulen sind den Entscheidungen machtlos ausgeliefert und zuletzt unsere Kinder sind wütend und verzweifelt. Protestmärsche sind geplant! Es wird gepostet und getwittert! Ein großer Dank an die Lehrer, dass sie die Kinder zu selbstbewussten Menschen mit einer eigenen Meinung und eigener Stimme erziehen!
Die finanzielle Inkompetenz der katholischen Kirche wird sich in Hamburg sicher sehr negativ auf ihr allgemeines Image auswirken und dadurch längerfristig noch größere finanzielle Probleme nach sich ziehen. Würde ich Kirchensteuer an die Katholiken zahlen, wäre heute sicher mein letzter Tag! Katja Lippmann
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Die mögliche Schließung dieses Gymnasiums ist ein "ziemlicher Hammer". Wohin mit den Schülern, den Lehrkräften ? Der Zukunft aufgeschlossen, Fördern und Fordern  als Werte der Schule? Christliche Leitlinien?  Wer immer mit den Schulen zu tun hat, fühlt sich zu Recht wütend und enttäuscht. Stutzig macht mich nicht die Verschuldung, von der die Rede ist, sondern wie schnell nach dem Urteil, einer Untersuchung, der WIRTSCHAFTSprüfungesellschaft E&Y aus Hannover gehandelt wird.
Kann vielleicht ein Irrtum vorliegen?
Im Dezember 2017 kam das Gutachten - am Donnerstag, 18.Januar 2018, die Verkündung des geplanten Aus´der Katholischen Schulen im Süden Hamburgs .  3-4 Wochen später ??? Mir kommt das Ganze vor, wie mit heißer Nadel gestrickt , unüberlegt und lästig genervt. Ich bete um Einsicht bei den Herren des Bistums und hoffe auf eine Lösung mit dem Senat. Felicitas Mast
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