Gesperrte Blumenmarktfläche: Verwaltung will sie nicht freigeben
Der Sand mit der rot gekennzeichneten Blumenmarktfläche, die seit 2014 gesperrt ist. Foto: André Zand-Vakili

Gesperrte Blumenmarktfläche: Verwaltung will sie nicht freigeben

Harburg - Wenn es um die Attraktivität Harburgs auch für jüngeres Publikum geht, haben es die SPD und CDU offenbar nicht besonders eilig. Wie sonst

wäre es zu erklären, dass ein Dringlichkeitsantrag der Grünen, bei der es um die Sicherung der gesperrten ehemaligen Blumenmarktfläche am Sand geht, von der Großen Koalition auf Eis gelegt wurde. Der Platz im Zentrum Harburgs, der für Außengastronomie genutzt wurde, ist seit fast drei Jahren gesperrt - wegen Einsturzgefahr. Einfach abstützen will man die rund 1200 Quadratmeter große Fläche nicht. Das würde, so hatte Dezernet Dierk Trispel zuvor den Abgeordneten gesagt, in einem Rechtsstreit mit dem ehemaligen Pächter der darunter liegenden Räume die Position des Bezirks schwächen. Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung geht um den Zustand der Immobilie

Mit dem Rechtsstreit ist das so eine Sache. Die Auseinandersetzung zieht sich. Bereits in den 1990er Jahren hatte die Stadt Ärger mit dem Pächter der Fläche. Es kam zum Rechtsstreit, der am 14. März 2002, also vor mehr als 15 Jahren, mit einem Urteil endete, das im September 2002 rechtskräftig wurde. Das Urteil besagte, dass der Pächter das Gebäude hätte sanieren müssen. Das wurde vom Bezirk nicht durchgesetzt. Stattdessen dürften weitere Schäden hinzu gekommen sein. Das Gebäude hat ein Problem mit Feuchtigkeit. Dass Feuchtigkeit der Bausubstanz schadet, ist allgemein bekannt. Der Pächter ist bereits 2013 ausgezogen. Seitdem rottet das Gebäude vor sich hin. Der Rechtsstreit selbst ruht bereits seit letztem Jahr. Das Bezirksamt will es so. "Das Beweissicherungsverfahren ist anhängig bei der 16. Kammer des LG Hamburg und wird vom Bezirksamt derzeit nicht aktiv betrieben. Der erfolgreiche Abschluss des Verfahrens wäre Voraussetzung für eine mögliche Vollstreckung gegen den ehemaligen Nutzer. Wir müssten jedoch auch in diesem Fall zunächst mit einem hohen fünfstelligen Betrag in Vorleistung treten", so Bettina Maak, Sprecherin des Bezirksamtes. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass das Gebäude abgerissen werden soll. Dann wird es schräg. "Das Bezirksamt Harburg muss sich aus Rechtsgründen höchst vorsorglich für den Fall, dass AVW dort das geplante Bauvorhaben nicht durchführt, anders baut oder die städtische Fläche nicht in Anspruch nimmt, die Option auf Fortsetzung der Beweissicherung und letztlich Vollstreckung gegen den ehemaligen Nutzer offenhalten", heißt es vom Bezirksamt. Dabei geht es um den "Primäranspruch auf Wiederherstellung des Blumenmarktgebäudes in einem ordentlichen baulichen Zustand". Solange dürfe am Zustand des Gebäudes und der Oberfläche nichts geändert werden. Das sein eine vorsorgliche Maßnahme, obwohl man an der realisierung des geplanten Bauprojektes "grundsätzlich keine Zweifel" habe. Man müsse sich so absichern, diese "Sorgfalt" würde von der Verwaltung erwartet werden.  Das I-Tüpfelchen des Vorgangs:  Laut Insidern ist durch ein Gerichtsverfahren, egal wie es ausgeht, nichts zu holen. Der ehemalige Pächter soll insolvent sein. Der Bezirks würde in dem Fall, selbst wenn er gewinnt, auf den Kosten sitzen bleiben.

Ungelegen dürfte die angenommene Einsturzgefahr dem Bezirk nicht gekommen sein. Der Betreiber des Restaurants "Southside" an der alten Blumenmarktfläche war ein Hemmnis bei den Plänen für einen Neubau an der Stelle. Der Grund: Er hat einen lang laufenden Mietvertrag. Die gesperrte Blumenmarktfläche bedeutete für ihn auch den Wegfall eines großen Teils der Außenplätze. Ob es darum zu der kurios wirkenden Situation kam, dass eine einsturzgefährdete Fläche nicht gegen Einsturz gesichert, sondern abgesperrt wurde, bleibt Spekulation. Sicher ist: Für das Restaurant bedeutete der Wegfall der Fläche gleichzeitig der Wegfall von Einnahmen.

Das Restaurant hat überlebt. Beispielsweise durch Personalabbau. Ein Hemmnis für den Neubau, der sich an der Stelle erheben soll, ist das heutige Southside auch nicht mehr. Im Herbst 2019, darauf haben sich der Investor und der Betreiber geeinigt, wird das Southside geschlossen.

Andere "Hindernisse" könnten ausgeräumt werden. Die Kosten für Stützen, die die Blumenmarktfläche sichern, werden auf mehrere tausend Euro geschätzt. Southside-Betreiber Oliver Klühn würde sie übernehmen. Das gleiche gilt von seiner Seite für weitere Kosten. Zudem würde er für die Fläche Miete zahlen.

Der Bezirk will es nicht. Auch weil die die Fläche nicht "verkehrssicher" sei. Das bedeutet: Durch Absenkungen sind Unebenheiten entstanden, in denen sich auch Wasser sammelt. Das berge, so die Sicht der Verwaltung, eine Gefahr. Der Zustand ist nicht neu. Seit Jahren, auch vor der Sperrung der Fläche, war es so - ohne, dass es als Problem definiert wurde.

"Die Verwaltung will die Fläche einfach nicht freigeben", glaubt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU. Ob es mit Gesichtsverlust zu tun hat, wäre reine Spekulation. Auch die von Insidern verbreitete These, dass hinter den Kulissen ein Gerangel zweier Dezernenten stattfindet, kann nicht belegt werden. Vielleicht ist Bezirksamtsleiter Thomas Völsch gefragt. Der hatte in der letzten Bezirksversammlung gesagt, dass man sich dafür einsetzen müsse, öffentlichen Raum nicht preiszugeben. Das meinte Völsch im konkreten Fall in Hinblick auf die Trinkerszene, die den Rathausplatz okkupiert. Der Satz dürfte aber Allgemeingültigkeit haben und auch für Fälle gelten, in denen die Verwaltung öffentlichen Raum, in diesem Fall 1200 Quadratmeter in ebenfalls zentraler Stelle Harburgs, über Jahre durch Untätigkeit einer Nutzung entzieht.

Die Bezirksabgeordneten haben sich im Fall der ehemaligen Blumenmarktfläche der von Völsch eingeforderten Verantwortung für öffentlichen Raum erst einmal entzogen. Sie sind in die Sommerpause gegangen, ohne das Problem, wie von den Grünen gefordert, als "dringlich" zu behandeln. Vielleicht ist es ja Thomas Völsch, der seiner Aufforderung "öffentlichen Raum nicht preiszugeben" selbst nachkommt und als Chef der Harburger Verwaltung der mittlerweile fast drei Jahre andauernden Verödung eines zentralen Platzes ein Ende bereitet. zv

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