Abstimmung mit Abweichlern: Aber kein Gruppenstatus für die FDP

141029FDPHarburg – Noch ist der Koalitionsvertrag nicht unterschrieben. Aber SPD und CDU werden sich die satte Zweidrittelmehrheit in der Bezirksversammlung nicht mehr nehmen

lassen. Das Verhalten der beiden großen Parteien schon vor dem offiziellen Schulterschluss lässt nichts Gutes erwarten. Das Ungeheuer GroKo beißt jetzt schon alles weg, was nach Opposition riecht. Und das GroKo gibt sich nicht einmal die Mühe, das überzeugend zu begründen.

„Das ist nun mal eben so“, sagte SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath, als er lustlos begründete, warum SPD und CDU sich weigern, den beiden FDP-Abgeordneten Carsten Schuster und Viktoria Pawlowski – wenn schon keinen Fraktionsstatus – so doch zumindest einen Gruppenstatus zuzugestehen. Die Rest-Gelben hätte als Gruppe ein paar Rechte mehr, sie hätten zum Beispiel einen Sitz im Ältestenrat und sie könnten sich in den Fachausschüssen gegenseitig vertreten.

Doch die SPD hat keine Lust mehr auf solche Debatten, sie seien schon häufig geführt worden, vor allem mit Einzelabgeordneten der DVU oder der Republikaner. Heimath: „Wenn eines Tages rechtsextreme Kandidaten in die Bezirksversammlung gewählt werden, wollen wir denen etwa besondere Rechte einräumen? Wenn wir jetzt der FDP Zugeständnisse machen, ist das womöglich später einklagbar.“

Sabine Boeddinghaus von der Linken wunderte sich über das „verstaubte Demokratieverständnis“ der SPD und plädierte dafür, Rechtsextreme nicht mit Organisationsfragen, sondern mit politischer Arbeit für die Bürger fern zu halten. Das fand auch Jürgen Marek von den Grünen und meinte außerdem: „Wenn wir den kleinen Parteien mehr Rechte einräumen, entspricht das dem Geist der Wahlrechtsreform.“ Sein früherer Parteifreund Kay Wolkau, der jetzt hopplahopp als Einzelkämpfer zu den Neuen Liberalen gewechselt ist, stellte zunächst fest: „Ich alleine bin natürlich keine Gruppe.“ Um dann die „Alten“ Liberalen Pawlowski und Schuster zu loben. Sie hätten doch immer konstruktiv mitgearbeitet, allein deshalb hätten sie den Gruppenstatus verdient.

Nun hatte die Große Koalition endlich eine Steilvorlage bekommen, um ihre Abneigung gegen die Sonderwünsche der Opposition zu begründen. „Wenn konstruktive Mitarbeit ein Kriterium sein sollte, könnte es durchaus sein, dass wir uns von einigen Abgeordneten, die nie eine Rede gehalten haben oder einen Antrag gestellt haben, trenne müssten“, sagte CDU-Chef Ralf-Dieter Fischer. Schließlich drückte er noch ordentlich auf die Tränendrüse, um die vermeintliche Großzügigkeit von SPD und CDU zu belegen: „Die Einzelabgeordneten haben jeweils fünf Minuten Redezeit, das ist bei den großen Parteien nicht so. Die CDU hat mit 14 Abgeordneten nur 37 Minuten Redezeit.“ Rein theoretisch (bei fünf Minuten pro Abgeordneten) stünden der CDU 70 Minuten zu. Aber es ist kein Geheimnis, dass Fischer es durchaus gefällt, wenn nicht alle Mitglieder seiner Fraktion das Wort ergreifen...

Zum Schluss wurde es noch richtig spannend, denn als es um ein Votum pro oder kontra Gruppenstatus ging, verlangte Carsten Schuster namentliche Abstimmung. Und siehe da: Das GroKo schwächelte, Barbara Lewy und Samy Musa von der SPD enthielten sich der Stimme, ihre Genossin Anna-Lena Bahl stimmte sogar einem Gruppenstatus für die FDP zu. Päng! Da war es wieder, das  Gefühl der SPD, nicht die gesamte Fraktion auf Linie bringen zu können. Dieses Gefühl hatte die SPD auch in die Hände von Ralf-Dieter Fischer getrieben. Dass die Genossen dabei die ganze Zeit mit dem Finger auf die Grünen gezeigt hatten, war schnell als Täuschungsmanöver zu durchschauen. ag