Wie viel Bürgerbeteiligung will das Rathaus?

RathausHarburg – Bürgerbeteiligung finden alle gut. Kein Wahlprogramm (außer der CDU, die hatte diesmal gar keins) ohne Forderung nach mehr Rechten für die

Bürger. Und tatsächlich können alle überall mitreden. Bis sie anfangen, unbequeme Fragen zu stellen und zu nerven. Dann werden Politiker, vor allem aber die Verwaltungen sperrig. Beispiele dafür gibt es genug.

Zum Beispiel Annette Kuch und Angelika Buchholz aus Sinstorf. Vor sieben Jahren mussten sie erleben, wie eine Baufirma ohne jegliche Schutzvorrichtungen die Fassade ihres Wohnhaus per Sandstrahl reinigte und auch noch imprägnierte. Als mündige Bürger wollten sich die beiden Frauen das nicht gefallen lassen, doch keine Behörde fühlte sich zuständig. Bei ihren Anrufen ernteten sie nur Schulterzucken. Eine Mitarbeiterin des Bezirksamts fragte: „Was hat das Bezirksamt damit zu tun?“

Isabel Wiest und ihre Mitstreiter aus Vogteistraße und Jägerstraße liefen irgendwann auch gegen eine Wand. Mit großer Akribie und noch mehr Hartnäckigkeit hatten sie Stück für Stück aufgedeckt, das die Straße überhaupt nicht für das geeignet war, was ihr amtlich zugemutet wurde. Zuerst spielten einige Politiker mit, kamen den lärmgeplagten Anwohnern entgegen. Es stand ja auch eine Wahl ins Haus. Baudezernent Jörg Penner, der nicht zur Wahl stand und auch künftig nicht steht, zeigte sich zunehmend dünnhäutiger. Bürgerbeteiligung? Ja, aber nicht so?

Dass die Bürgerbeteiligung vollends zum Papiertiger degradiert wurde, dafür hat ausgerechnet der Versuch gesorgt, neue Formen für die gemeinsame Entwicklung eines attraktiven Umfelds zu finden. Innenstadtdialog nannte sich das Ganze. Das Motto „Harburg neu denken“ klang gut, „Harburg neu machen“ blieb aber auf der Strecke. Das Bezirksamt hatte dafür gesorgt, dass von einigen frischen Ideen für die Harburger Innenstadt harmlose Worthülsen übrig blieben, die dann auch noch in der Bezirksversammlung unter „ferner liefen“ verabschiedet wurden. Seitdem schlummern sie irgendwo vor sich.

Geradezu absurd dann jene Abende, an denen Harburgs Bürger reihenweise über vollendete Tatsachen informiert wurden: Der Senat hat sich entschieden, in Moorburg eine Dauerunterkunft für ehemalige Sicherheitsverwahrte einzurichten. Dann: Der Senat hat sich entschieden, auf der Pferdewiese in Bostelbek eine Unterkunft für Flüchtlinge einzurichten. Erst wird gerodet, dann werden die Bürger informiert. Dann: Der Senat hat sich entschieden, die Zentrale Erstaufnahmestation (ZEA) für Flüchtlinge in der Harburger Post am Bahnhof unterzubringen. Die Bürger werden darüber informiert. An diesem Abend informieren allerdings die Bürger auch den Staatsrat darüber, dass sich in unmittelbarer Nähe der ZEA schon die Unterkünfte Wetternstraße und Lewenwerder befinden. Das war ihm so nicht bewusst. Aber die Entscheidung ist längst gefallen.

Bürgerbeteiligung? Dann machen wir eben einen Runden Tisch. Die Bürger sind dabei. Monate später erscheint das Protokoll – und die Bürger staunen. Iwona Mazurkiewicz von der Bürgerinitiative Wetternstraße: „Da sind falsche Angaben zum Wachdienst gemacht worden. Wir haben das reklamiert, es gab aber keine Reaktionen.“

Bei der jüngsten Sitzung des Runden Tischs waren die Anwohner nicht dabei. Wie harburg-aktuell.de berichtet hat, sind die Einladungen nicht bei den Leuten aus Wetternstraße, Zehntland und Flutende angekommen. Warum auch immer. Auf die Idee, bei den Anwohnern noch einmal nachzuhaken, als diese der Bitte um Anmeldung nicht nachgekommen waren (wie auch?), ist keiner gekommen. Weder das Bezirksamt noch fördern & wohnen. Nun müsste Innensenator Michael Neumann erklären, warum hier so unprofessionell gearbeitet worden ist. Immerhin hatte der Senator den Anwohnern sogar auf seiner privaten Homepage deren Teilnahme am Runden Tisch zur ZEA versprochen.

Tatsächlich ist bei dieser für die Bürgerbeteiligung so wichtigen Einladung zum Runden Tisch noch mehr schief gelaufen. So wollte fördern & wohnen zwar Kay Wolkau von den Grünen einladen, hat dafür aber eine fehlerhafte Adresse verwendet. Dafür wurde Treeske Fischer von der CDU ordnungsgemäß eingeladen, obwohl sie gar nicht mehr politisch tätig ist. Die AfD wiederum, in der neu gewählten Bezirksversammlung mit drei Abgeordneten vertreten, stand überhaupt nicht auf der Einladungsliste. Nun muss man nicht gleich wie AfD-Mann Peter Lorkowski Verschwörungstheorien verbreiten („Die wollten verhindern, dass wir unbequeme Fragen stellen.“), peinlich ist der Umgang mit den Bürgern allemal.

Vielleicht sollte „Harburg neu denken“ erst einmal im Bezirksamt und in anderen Amtsstuben anfangen. Im Übrigen darf man gespannt sein, was die „Macher der GroKo“ jetzt alles in Sachen Bürgerbeteiligung aushecken. ag