Bürgerinitiative und Innensenator: Treffen war "Showveranstaltung"

131021DemoHarburg –  Erst König Olaf, jetzt auch noch Prinz Michael! Innensenator Michael Neumann hat Vertretern der Bürgerinitiative Wetternstraße, Wetternstieg, Zehntland

und Flutende unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Entscheidung für die alte Post am Harburger Bahnhof gefallen ist. Dort soll die dritte Zentrale Erstaufnahmestation für Flüchtlinge eingerichtet werden.

Und das Volk reibt sich verwundert die Augen. Gelten unbequeme Gesetze nicht mehr? Oder hat die absolute SPD das Bezirksverwaltungsgesetz in aller Stille einfach außer Kraft gesetzt?

Zum Beispiel Paragraf 28 des Bezirksverwaltungsgesetzes. Es räumt den Bezirken das Recht ein, bei wichtigen Standortentscheidungen angehört zu werden. Die Bezirke dürfen nicht entscheiden, dürfen aber immerhin ihre Meinung sagen. Einen Monat haben sie dafür Zeit. Und dann heißt es im Paragraf 28: „Der Senat oder die Fachbehörde berücksichtigen bei ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Bezirksversammlung.“

Die Bezirksversammlung wird am kommenden Dienstag ihre Stellungnahme abgeben. Prinz Michael hat aber schon entschieden. Das ist schlechter Stil. Und Bezirksamtsleiter Thomas Völsch verteidigt ihn auch noch. Das Gespräch zwischen Innensenator und Bürgerinitiative sei in guter Atmosphäre verlaufen. So nennt man das, wenn man auf wenig Widerstand stößt...

Und wie fanden die Siedler das Gespräch mit dem Senator? „Wir haben uns erschrocken, wie schlecht vorbereitet Herr Neumann seine Entscheidung getroffen hat“, sagt Hannelore Gebhardt aus der Straße Flutende. „Er war zwar, wie er sagte, mal in der Gegend. Die Situation vor Ort in der Wetternstraße kennt er jedenfalls nicht.“ Das gelte auch für den Staatsrat. Der sei ziemlich erstaunt gewesen, als er die Skizze mit der Lage der bestehenden und geplanten Unterkünfte sah.

Die Bürgerinitiative, deren Sprecherin selbst als Flüchtling mit zwei kleinen Kindern nach Hamburg gekommen ist, hat sich bisher vorbildlich verhalten, hat die Versuche von Neonazis, in der Siedlung Fuß zu fassen, erfolgreich abgewehrt und hat immer wieder am Runden Tisch konstruktive Vorschläge gemacht. Und jetzt ziehen sie die SPD-Prinzen und Bezirksfürsten einfach über den Tisch!

Alle wissen, dass es nicht um die Verhinderung der Erstaufnahmestation geht. BI-Sprecherin Iwona Mazurkiewicz wäre die Letzte, die einen Flüchtling nicht bei sich aufnehmen würde. Es geht vielmehr darum, dass in den bisherigen Unterkünften längst nicht alles in Ordnung ist, Zwischenfälle werden auf dem Weg nach oben in den Senat konsequent in den Verwaltungshierarchien wegfiltert. Kein Wunder, dass Staatsrat Volker Schiek im Sozialausschuss behaupte, ihm seien keine Zwischenfälle aus dem Umfeld der Wetternstraße bekannt. Harburgs Sozialdezernent Holger Stuhlmann „filterte“ sogar noch während der Sitzung.

In diesem Zusammenhang verwundert es schon, dass die Linke in ihrer schon formulierten Stellungnahme zwar immer wieder von „den Betroffenen“ die Rede ist, damit sind aber ausschließlich die Flüchtlinge gemeint. Die Harburger Bürger, die der Linken drei Mandate erteilt haben, kommen in dieser Stellungnahme nicht vor.

Da ist es tröstlich, dass die SPD-Fraktion sich noch nicht zu einer gemeinsamen Stellungnahme durchringen konnte. Teilnehmer der Fraktionssitzung am Donnerstagabend berichten von einer Fifty-fifty-Situation: Die eine Hälfte der 26 Bezirksabgeordneten wollen dem Innensenator und ihrem Bezirksamtsleiter folgen, die andere Hälfte will ihrem Fraktionschef Jürgen Heimath den Rücken stärken. Er ist bei den Anwohnern im Wort, keine weitere Einrichtung dieser Art in unmittelbarer Nähe zuzulassen. Keine Frage, Heimath steht mächtig unter Druck, seine Haltung verdient jetzt schon Anerkennung.

Die SPD-Fraktion will sich am kommenden Dienstag entscheiden. Sie trifft sich eineinhalb Stunden vor Beginn der Bezirksversammlung (17.30 Uhr, großer Sitzungssaal, Rathaus Harburg). ag