Genossen-Casting: Harburgs SPD sucht den Bundestags-Star

120919GenossenHausbruch – Wird es der hemdsärmelige und krawattenlose Ingo, der gern mit Europa solidarisch ist, der Schwiegermuttertyp mit Migrationshintergrund, Metin, der in die SPD eintrat, weil Ole von Beust Ronald Schill zum Innensenator

nahm, oder der Frank, der so gern etwas zurückgeben möchte und dufte erklären kann.

Die Genossen im Wahlkreis Harburg-Bergedorf haben die Wahl. Im Jägerhof in Hausbruch startete das „Genossen-Casting“. Die Kandidaten tingeln durch den Süden Hamburgs im Kampf um das lukrative Bundestagsmandat, das ein Grundgehalt von 7646 Euro und 99 Cent garantiert. Es geht aber auch um einen Posten mit viel Prestige. Beerbt wird SPD-Urgestein Hans-Ulrich Klose, der seit 1983 erst in Bonn und dann in Berlin Harburg vertrat. Davor war es nur Herbert Wehner, der von 1949 an das Mandat ausübte.

 

Für Ingo Egloff dürfte Harburg ein „Notwahlkreis“ sein. Sein Revier ist Wandsbek, wo aber eine höher gestellte Genossin antritt. So musste er schon seine Schwester bemühen, um eine Verbindung zum Hamburger Süden herzustellen. Die Zuhörer erfuhren, dass sie seit 35 Jahren in Neugraben wohnt und er eine Nichte hat, die in der SPD ist. Seine Mitbewerber will er durch seine Erfahrung ausstechen. Immerhin ist Egloff bereits Mitglied des Deutschen Bundestages. Und so betonte er, dass Netzwerke in Berlin, die die anderen ja nicht haben können, besonders wichtig sind. Er ist Euro Fan. Was er im Bundestag für Hamburgs Süden bewirken will, ließ er im Dunkel.

Nett und adrett. So trat Metin Hakverdi vor die Genossen. Fast zu fein für den großen Saal im Jägerhof. Ein bekennender und besonders gut angezogener Europäer, der aber nicht ganz so sorglos die Steuergelder der Genossen in den Süden transferieren will, der auf Energiewende setzt und eisern sparen will, um die Schuldenbremse mit Leben zu erfüllen. Das könne gerecht nur die SPD, findet Hakverdi. Was in den Ohren der Moorburger Genossen wie Hohn wirken dürfte: Bei unbequemen Entscheidungen sollen die betroffenen Menschen frühzeitig einbezogen werden. Ganz nah möchte Hakverdi den Bürgern bleiben, wenn er erst einmal im Reichstag sitzt. In Bergedorf, Wilhelmsburg und Harburg, so seine Ansage, soll es ein Abgeordnetenbüro als Anlaufstelle geben.

Frank Richter, bislang von außen eher als Lustlos-Politiker mit Bürger-Berührungsängsten wahrgenommen, zeigte was er kann. Gut reden, wenn es drauf ankommt. Das er Abi machen konnte, hat er der sozialdemokratischen Politik zu verdanken. Da möchte er jetzt etwas zurückgeben. Denn immer noch ist das Bildungssystem ungerecht. Das will er ändern. Er ist der Typ der sich einsetzt. Seit 1987 als Sozialdemokrat, eigentlich schon immer ehrenamtlich im Sport, was rein optisch den einen oder anderen Zuhörer überrascht haben dürfte. Gut sei er im Bundestag positioniert, weil er gut Sachverhalte erklären könne und so quasi ein Übersetzer wäre für das, was im „Raumschiff Berlin“ passiert. Für Harburg will er Fördertröpfe anzapfen und bei der Verkehrsplanung des Bundes ein Wörtchen mitreden.

Dass Herkunft keine Rolle spielt, mag man den drei Kandidaten kaum glauben. Denn geradezu krampfhaft wurde die Arbeiterherkunft betont. Bei Egloff waren eigentlich alle Vorfahren Sozialdemokraten. Hakverdi  betonte, dass sein Vater aus der Türkei und seine Mutter aus Pommern kamen, also beide Migrationshintergrund haben und Richter ist das Kind einer „Typischen Arbeiterfamilie“, weil die Opas im Hafen und der Vater als Fliesenleger arbeitete.

Am Ende wird die SPD keinen Bundestagsabgeordneten aus dem Arbeitermilieu nach Berlin schicken können. Egloff, Hakverdi und Richter sind längst dieser Kaste entwichen. Eigentlich haben die Genossen nicht einmal eine Wahl. Egal wie sie sich entscheiden. Am Ende wird garantiert ein Jurist Harburg in Berlin vertreten. Denn das sind alle drei Kandidaten. zv