Wegen Schill-Vergangenheit: Holpriger Start für Anke Jobmann
Dr. Anke Jobmann. Foto: pr

Wegen Schill-Vergangenheit: Holpriger Start für Anke Jobmann

Harburg – Das nennt man einen holprigen Start! Harburgs neue Sozialdezernentin Dr. Anke Jobmann hat noch nicht einmal ihren Dienst angetreten geschweige denn irgendetwas

in ihrer neuen Funktion entschieden, schon sorgt sie für – teilweise ungewohnt emotionale – Diskussionen. Die Linke hat nämlich entdeckt, dass Jobmann früher einmal für die Schill-Partei gearbeitet hat.

„Die Regierungsbeteiligung der Partei Rechtsstaatliche Offensive war eines der dunkelsten Kapitel der neueren Geschichte unserer Stadt“, sagt Sabine Boeddinghaus, Abgeordnete aus Harburg und Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft. Gerade die Jugendpolitik Schills sei besonders rückwärtsgewandt gewesen, etwa mit der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen. Da Anke Jobmann jetzt für diesen Bereich in Harburg zuständig wird, werfe es doch einige Fragen auf.

Die neue Dezernentin muss es geahnt haben, dass ihr die ersten Berufsjahre nach der Promotion (mit summa cum laude) in Wissenschaftshistorie eines Tages auf die Füße fallen würden.  In ihrem öffentlich zugänglichen Berufsprofil im Karriereportal Xing hat Dr. Anke Jobmann die Jahre 2002 bis 2004 jedenfalls einfach weggelassen. Demnach begann ihre Karriere erst 2004 richtig, als sie wissenschaftliche Referentin der CDU-Bürgerschaftsfraktion wurde.

Davor sei sie Büroleiterin des Fraktionschefs der Rechtsstaatlichen Offensive Norbert Frühauf (heute AfD) gewesen, erinnert sich Harburgs CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer. Außerdem vertrat sie die Partei in einigen Gremien, zum  Beispiel im Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht als Vertreterin des hauptamtlichen Vertrauensmanns  Marc März. Pikant am Rande: März war damals gerade zur Schill-Partei gewechselt, vorher war er Pressesprecher des damaligen rechtspopulistischen Harburger CDU-Kreisvorsitzenden Andreas Kühn.
Fischer stört Jobmanns politische Vergangenheit nicht: „Sie war im Auswahlverfahren klar die Beste.“ Es erwecke einen falschen Eindruck, wenn sie immer wieder als Historikerin bezeichnet werde, der für das Amt der Sozialdezernentin Kompetenz und Erfahrung fehlten. Fischer: „Sie war auch mehrfach Amtsleiterin in der Sozialbehörde.“ SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath kommentiert die causa Jobmann nur knapp: „Ich vertraue den Personen, die diese Personalentscheidung getroffen haben.“

Andere Mitglieder der SPD-Fraktion sehen das nicht so gelassen. Viele wussten bis Donnerstagabend nichts von der politischen Vergangenheit der Dezernentin, wollten es vor allem nicht glauben. Das ist sicher nicht überraschend, diese Komplikation mit üblem schillernden Nachgeschmack berührt die sozialdemokratische Seele zutiefst. Aber wie so oft, will sich keiner aus dem Fenster lehnen. Dabei sind bei dieser Entscheidung die Bezirksabgeordneten ohnehin nicht gefragt.

Für die Neuen Liberalen hat die causa Jobmann noch einen ganz anderen Geschmack, sozusagen ein „Geschmäckle“ wie Fraktionschef Kay Wolkau zu sagen pflegt. Ihm – und nicht nur ihm – ist aufgestoßen, dass plötzlich eine CDU-Frau in einem SPD-geführten Rathaus Dezernentin wird. Und dass wenige Monate vor dem Ende der sechsjährigen Amtszeit des Bezirksamtsleiters!

Diese Situation wird Wolkau bekannt vorkommen. 2006 war er noch „zugewählter Bürger“ (heute: „zubenannter...“) von Bündnis90/Die Grünen. Seine Partei hatte sich damals für die erste schwarz-grüne Koalition auf Bezirksebene entschieden. Und als der von den Grünen mitgewählte CDU-Bezirksamtsleiter Torsten Meinberg einen Nachfolger für Baudezernent Peter Koch suchte, schob Fraktionschef Ronald Preuß den Vorstandssprecher der Kölner Grünen, Jörg-Heinrich Penner, ins Rennen. Der den Job dann auch bekam. Weder CDU-Chef Ralf-Dieter Fischer noch Preuß haben es jemals bestritten, dass diese Personalie Teil eines Deals zur Inthronisation von Meinberg war. Vor diesem Hintergrund ist es zumindest nachzuvollziehen, wenn der eine oder andere auch diesmal an einen Deal glaubt.

Fischer ficht das alles nicht an. Er hält Anke Jobmann für hochqualifiziert, ihre politische Vergangenheit sieht er nicht als Makel: „Man muss ihr zugute halten, dass sie geläutert ist.“ Daran könnte Fischer ja mal seinen Vize Uwe Schneider erinnern, der jedem Redner der Linken sofort und penetrant die vermeintliche SED-Vergangenheit der Partei vorhält.

Klar ist: Bezirksamtsleiter Thomas Völsch als Chef der Harburger Verwaltung kannte aus seiner Zeit als Geschäftsführer der SPD-Bürgerschaftsfraktion (bis 2004) die politische Vergangenheit von Anke Jobmann. Trotzdem hatte er gewichtige Gründe, das Risiko einzugehen. Da diese Personalentscheidungen vertraulich sind, wird er sich dazu nicht äußern. Es könnte allerdings durchaus sein, dass er unbedingt eine Lösung „von außen“ haben wollte. Nach Informationen von harburg-aktuell.de soll unter den letzten drei Bewerberinnen auch eine aus dem Bezirksamt Harburg gewesen sein. Trotz aller Kritik setzt Die Linke auf Versöhnung. Fraktionsvize André Lenthe: „Wir hoffen, dass sich Frau Jobmann unseren Fragen stellt und uns von ihrer Befähigung überzeugt.“ ag