Kritik an Spitzen der Verwaltung belastet die Große Koalition

FischerRalfDieter3Harburg – GroKo, das steht in der Regel für Große Koalition und klingt fast liebevoll. In der Harburger SPD macht sich aber zunehmend ein anderes Gefühl breit. Ein Genosse

formuliert es derb: „GroKo? Das steht für mich jetzt für das Große Kotzen!“  Offenbar hat GroKo-Partner Ralf-Dieter Fischer eine Grenze überschritten. Provoziert hat er schon immer, jetzt hat er aber den Frontmann der Harburger SPD beschädigt. Fischer hat öffentlich in Frage gestellt, dass er trotz Großer Koalition Bezirksamtsleiter Thomas Völsch Ende 2017 zu einer zweiten Amtsperiode verhilft.

Weil die Linke für viele Sozialdemokraten immer noch unberührbar ist und man die Harburger Grünen für unberechenbar und nicht regierungsfähig hält, kommt ein linkes Bündnis für die SPD-Spitze nicht in Frage. Deshalb war die CDU seit Monaten ein willkommener Mehrheitsbeschaffer und Koalitionspartner. Die „Willkommenskultur“ für den schwarzen Fischer ist in den letzten Tagen  spürbar erkaltet.

Was die SPD-Granden bei ihrer Entscheidung für eine Große Koalition nämlich unterschätzt haben: Den ungehemmten Machtwillen von CDU-Kreischef Ralf-Dieter Fischer. Wenn es ihm nur darum gehen würde, seine letzte große Chance zum „Regieren“ auszuleben, wäre ja alles okay. Fischer neigt aber dazu, politische Gegner vorzuführen. Wenn ihm einer gegen den Strich geht, lässt er nicht locker. Dass lässt er seit Jahren mit peinlicher Penetranz seine Fraktionskollegin Helga Stöver (Fischer: „Meine Fraktion ist – bis auf eine Ausnahme – von hoher fachlicher Kompetenz“) spüren, dann nahm er sich Harburgs Baudezernenten Jörg Penner vor. Es vergeht keine Sitzung des Stadtplanungsausschusses, in der Fischer nicht mit Penner aneinandergerät. Was den CDU-Chef in diesem Fall besonders treibt: Als Fischer zusammen mit Ronald Preuß von den Grünen die erste schwarz-grüne Koalition auf Hamburger Bezirksebene schmiedete, nahm er für die Wahl von Torsten Meinberg, CDU-Kandidat für das Amt des Bezriksamtsleiters, in Kauf, dass Preuß „zur Belohnung“ den Vorstandssprecher der Kölner Grünen, Jörg Penner, als Baudezernent nach Harburg holen durfte. Fischer heute: „Das war unser größter Fehler.“

Das alles lässt die Genossen kalt. Doch nun hat sich Fischer ihren Frontmann Thomas Völsch vorgenommen. Die wissen, dass Fischer ein Sprücheklopper ist und oft übers Ziel hinausschießt, seine Kritik nehmen sie eher gelassen. Aber einen Spitzengenossen öffentlich zu attackieren und damit auch zu beschädigen, das geht gar nicht. Jetzt wirft Fischer nämlich dem Bezirksamtsleiter vor, die Unwahrheit zu sagen. Und das ist starker Tobak!

Es geht um die Wiese am Ende des Falkenbergwegs. Sie war auch als Standort für eine Flüchtlingsunterkunft im Gespräch. Bei den Protesttreffen der Anwohner lief Fischer als Platzhirsch herum. Kein Wunder: Zum einen wohnt er in der Nähe, zum anderen hatte ihn einer der Anwohner mal „Kaiser von Neugraben“ genannt und geschwärmt: „Der wird das schon richten.“ Das hat Fischer wohl auch geglaubt, prompt nahm er das Heft in die Hand. Der „Bürgerinitiative zum Erhalt des Waldfriedens“ riet er in einem Brief, den Begriff „Hundewiese“ nicht mehr zu verwenden, weil das die Erfolgsaussichten schmälere.
Und dann behauptete Fischer, Völsch habe die Öffentlichkeit getäuscht. Er habe nämlich öffentlich verkündet, der Standort Falkenbergsweg sei „von der Bezirksversammlung vorgeschlagen worden“. Das sei aber völlig falsch. Die CDU habe den Standort von vornherein abgelehnt.

Völsch selbst kann nicht gefragt werden, er ist in Urlaub. SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath erinnert sich anders: „Der Vorschlag kam schon aus dem Bezirksamt, aber es hat auch keiner nein dazu gesagt.“ Was ist denn nun richtig? harburg-aktuell.de hat in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) nachgefragt: „Das Bezirksamt hat im März 2015 auf Anfrage der BASFI mitgeteilt, dass der Standort grundsätzlich für geeignet gehalten wird und auch aus der Kommunalpolitik grundsätzliche Zustimmung signalisiert wurde“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. „ Die BASFI ging daher davon aus, dass auch den Fraktionen der Bezirksversammlung diese Planungen grundsätzlich bereits seit längerem bekannt sind.“

Egal wie, Fischer ist auf dem Kriegspfad und verweist plötzlich auf den Koalitionsvertrag. Dort soll stehen, dass bei der Ende 2017 anstehenden Wahl des Bezirksamtsleiters die SPD das Vorschlagsrecht habe. Fischer: „Wir haben nicht gesagt, dass wir Völsch wieder wählen müssen.“ Dieser Passus ist im veröffentlichen Koalitionsvertrag nicht zu finden, offenbar gibt es noch ein paar vertrauliche Vereinbarungen.

Fischer: „Wir können die SPD ja mal bitten, ihren Kandidaten möglichst bald zu nennen.“  Alles nur Geplänkel? Keine Frage, Fischer will testen, wie weit er gehen kann. So macht er Regierung und gleichzeitig auch Opposition. So lange es sich die SPD gefallen lässt. ag